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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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Abwasch zu erledigen.
    Sie küssten sich dauernd, Mum und Dad. In der Küche. Er hatte die Hand fest um ihren Nacken gelegt, sie den Arm um seine Taille, ihn enger an sich ziehend. Es war dann schwer zu erkennen, wie sie zusammenpassten, so fest waren sie verschlungen. Es war normal für mich, sie so zu sehen. Ich saß dann einfach am Küchentisch, legte mein Kinomagazin auf das gerippte Tischtuch, stützte das Kinn in die Hand und wartete, bis sie fertig waren. Das Merkwürdige ist, obwohl sie sich so viel küssten, schienen sie kaum miteinander zu reden. Meistens sprachen sie vermittelt durch uns miteinander: »Das musst du deinen Vater fragen.« Oder: »Was sagt deine Mutter dazu?« Am Tisch redeten Fred, Harry und ich, während Dad die »Gazette« las und Mum am Fenster stand und rauchte. Ich erinnere nicht, dass sie je mit uns am Tisch gesessen und gegessen hat, außer sonntags, wenn Dads Vater, Großvater Taylor, bei uns war. Er nannte Dad »Junge« und verfütterte das meiste von seinem Essen an den vergilbenden Westie, der unter seinem Stuhlkauerte. Also dauerte es nie lange, bis Mum wieder stand und rauchte, die Teller abwusch und die Töpfe in die Spüle knallte. Sie postierte mich am Abtropfständer zum Abtrocknen und band mir eine Schürze um, eine von ihren, die mir viel zu lang war und oben umgeschlagen werden musste, und ich versuchte, mich so gegen das Spülbecken zu lehnen wie sie. Manchmal wenn sie nicht da war, blickte ich aus dem Fenster und versuchte mir vorzustellen, woran meine Mutter dachte, wenn sie hinausblickte auf unseren Schuppen mit dem schrägen Dach, Dads Beet mit dem hochgeschossenen Rosenkohl und das kleine Stück Himmel über den Nachbarhäusern.
    In den Sommerferien gingen Sylvie und ich oft ins Black Rock Freibad. Ich wollte zwar immer das Geld sparen und am Strand sitzen, aber Sylvie bestand darauf, ins Freibad zu gehen, zum Teil deswegen, weil Sylvie im Freibad mit Jungen flirten konnte. Während unserer ganzen Schulzeit hatte sie immer irgendeinen Verehrer, dagegen schien sich für mich niemand zu interessieren. Ich hatte keine Lust, wieder einen Nachmittag zuzuschauen, wie die Jungen meine Freundin angafften, aber mit seinen glitzernden Fenstern, dem strahlend weißen Fußboden und den gestreiften Liegestühlen war das Freibad einfach zu schön, um zu widerstehen, und so bezahlten wir meistens die neun Pence und schoben uns durch das Drehkreuz zum Pool.
    An einen Nachmittag erinnere ich mich besonders gut. Wir waren beide ungefähr siebzehn. Sylvie hatte einen limettengrünen Bikini an und ich einen roten Badeanzug, der mir viel zu klein war. Ich musste ständig die Träger hoch- und die Beine runterziehen. Damals hatte Sylvie schon ziemlich beeindruckende Brüste und eine hübsche Taille; ich war immer noch kastenförmig mit ein paar Polstern. Ich trug die Haare im Pagenschnitt, was mir gut gefiel, aber sie waren eher orange als rot und ich war zu groß. Mein Vatersagte mir, ich solle aufrecht gehen, aber er legte auch Wert darauf, dass ich immer flache Schuhe trug. »Kein Mann möchte zu einer Frau aufsehen«, pflegte er zu sagen. »Stimmt’s Phyllis?« Meine Mutter lächelte nur und sagte nichts. In der Schule beharrten sie darauf, dass ich gut in Korbball sein müsste, aber ich war miserabel. Ich stand an der Seite und tat so, als würde ich auf einen Pass warten. Der Pass kam nie und ich spähte über den Zaun zu den Jungen, die Rugby spielten. Ihre Stimmen waren so verschieden von unseren – tief und hölzern und mit dem Selbstvertrauen von Jungen, die wissen, was der nächste Schritt im Leben ist. Oxford. Cambridge. Die Anwaltsexistenz. Die Schule nebenan war eine Privatschule, wie deine, und die Jungen dort schienen so viel besser auszusehen als die, die ich kannte. Sie trugen Jacketts und hatten die Hände in den Taschen, während sie herumspazierten, und ihre langen Ponys fielen ihnen ins Gesicht. Dagegen marschierten die Jungen, die ich kannte (und das waren wenige), mehr oder weniger auf dich zu, den Blick geradeaus. Kein Geheimnis umgab sie. Alles offen. Nicht, dass ich jemals mit einem der Jungen mit den Ponys gesprochen hätte. Du bist auf eine jener Schulen gegangen, aber du warst nie so, oder, Patrick? Wie ich hast du dich nie angepasst. Das habe ich von Anfang an gewusst.
    Es war eigentlich nicht warm genug, um draußen zu baden – es blies ein frischer Wind –, aber es war strahlender Sonnenschein. Sylvie und ich lagen flach auf unseren Handtüchern. Ich
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