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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes
Autoren: Bethan Roberts
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genannt, stimmt’s Patrick? Zu der Zeit mochte ich die Haarfarbe schon, aber es kam mir immer so vor, als würde ich mit meinen roten Haaren eine Erwartung erfüllen: Menschen erwarteten von mir, dass ich aufbrausend war, also ließ ich meiner Wut freien Lauf, sobald sie hochkam. Nicht oft natürlich. Aber gelegentlich knallte ich Türen, warf Geschirr. Einmal stieß ich den Staubsauger so heftig gegen die Fußleiste, dass sie brach.
    Als ich das erste Mal bei Sylvie zu Hause in Patchham eingeladen war, hatte sie ein pfirsichfarbenes Seidenhalstuch um, und als ich es sah, wollte ich sofort auch eins. Sylvies Eltern hatten einen Barschrank im Wohnzimmer, mit Glastüren, die mit schwarzen Sternen bemalt waren. »Es ist alles auf Kredit«, sagte Sylvie, beulte mit der Zunge ihre Backe aus und führte mich nach oben. Ich durfte das Halstuch tragen und sie zeigte mir ihre Nagellackfläschchen. Sie öffnete eins und es roch nach Bonbons. Ich saß auf ihrem hübschen Bett und wählte den dunkelroten Lack, um ihn auf Sylvies breite abgebissene Nägel aufzutragen. Als ich fertig war, hielt ich ihre Hand ganz nah an mein Gesicht und blies sanft darüber. Dann hielt ich ihren Daumennagel an meinen Mund und fuhr mit der Oberlippe über die glatte Oberfläche, um zu prüfen, ob sie trocken war.
    »Was machst du da?« Sie lachte schrill.
    Ich ließ ihre Hand in ihren Schoß fallen. Midnight, ihre Katze, kam herein und rieb sich an meinen Beinen.
    »Tut mir leid.«
    Midnight dehnte sich und drängte sich mit noch mehr Nachdruck gegen meine Knöchel. Ich beugte mich runter, um sie hinter den Ohren zu kraulen, und während ich mit der Katze beschäftigt war, öffnete sich Sylvies Zimmertür.
    »Raus«, sagte Sylvie genervt. Ich richtete mich schnell auf, besorgt, dass sie mich meinte, aber sie blickte wütend über meine Schulter hinweg zur Tür. Ich drehte mich um und sah ihn da stehen. Unwillkürlich griff ich nach dem Seidentuch an meinem Hals.
    »Raus, Tom«, wiederholte Sylvie in einem Ton, als hätte sie sich in die Rolle, die sie in dieser Szene zu spielen hatte, gefügt.
    Er lehnte im Türrahmen, die Ärmel seines Hemdes bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, und ich bemerkte die feinen Linien seiner Muskeln auf den Unterarmen. Er konnte nicht älter als fünfzehn sein – kaum ein Jahr älter als ich, aber er hatte schon breite Schultern und an seinem Halsansatz war eine dunkle Mulde. Am Kinn hatte er seitlich eine kleine Narbe – nur eine kleine Delle, wie ein Fingerabdruck in Plastilin – und er lächelte spöttisch. Schon damals wusste ich, dass er das absichtlich tat, weil er dachte, dass er dann mehr aussah wie ein Ted. Auf mich hatte das Ganze, dieser Junge, wie er da am Türrahmen lehnte und mich mit seinen blauen Augen – kleinen, tief liegenden Augen – ansah, solche Wirkung, dass ich stark errötete. Ich streckte die Hand aus, tauchte meine Finger wieder in das weiche Fell um Midnights Ohren und richtete den Blick auf den Fußboden.
    »Tom! Raus!« Sylvies Stimme war jetzt lauter und die Tür wurde zugeknallt.
    Du kannst dir vorstellen, Patrick, dass es ein paar Minuten dauerte, bevor ich mich traute, die Katze nicht mehr hinter den Ohren zu kraulen und Sylvie wieder anzusehen.
    Danach tat ich alles, um mit Sylvie fest befreundet zu bleiben. Manchmal nahm ich den Bus nach Patchham, ging an ihrer Doppelhaushälfte vorbei und blickte zu den hellen Fenstern hinauf und redete mir ein, dass ich hoffte, sie würde herauskommen, aber in Wirklichkeit war mein ganzer Körper angespannt in der Erwartung, Tom würde auftauchen. Einmal saß ich auf der Mauer beiihr um die Ecke, bis es dunkel wurde und ich meine Finger und Zehen nicht mehr spüren konnte. Ich lauschte den Amseln, die sich die Stimme aus dem Hals sangen, roch die Feuchtigkeit, die aus den Hecken rundherum kroch, und nahm schließlich den Bus nach Hause.
    Meine Mutter sah viel aus dem Fenster. Immer wenn sie kochte, lehnte sie am Herd und blickte durch den schmalen Glasausschnitt unserer Hintertür. Es kam mir vor, als würde sie immer Soße kochen und aus dem Fenster blicken. Sie rührte eine ganze Weile in der Soße, kratzte dabei die wenigen Reste von Fleisch und Knorpel von der Pfanne. Die Soße schmeckte nach Eisen und war etwas klumpig, aber mein Vater und meine Brüder füllten ihre Teller damit und nahmen so viel Soße, dass sie sie an den Fingern und unter den Fingernägeln hatten. Sie leckten sie ab, während Mum rauchte und darauf wartete, den
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