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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir
Autoren: David Wellington
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sprechen, aber Caxton bezweifelte es. Sie arbeitete jetzt seit drei Jahren bei der Highway Patrol und hatte schon eine Menge Autowracks gesehen. Obwohl sie es hier mit Mord zu tun hatten – einem barbarischen Mord –, und die Leichen zerfetzt und verstümmelt waren, konnte sie mit Fug und Recht behaupten, schon Schlimmeres gesehen zu haben. Zum einen war kein Blut im Kofferraum. Nicht mal ein Tropfen. Zum anderen war es hilfreich, dass die Gesichter völlig ausradiert worden waren. So war es leichter, sie nicht als menschliche Wesen zu betrachten.
    Nach einer Weile schaute Arkeley zur Seite. »Also gut. Das wird mein Fall«, sagte er. Einfach so.
    »Moment mal, so geht das aber nicht … Sie sind als Berater hier und sonst nichts.«
    Er überhörte das. »Wo sind die Beweise, die der Verdächtige zurückgelassen hat?«
    »Oben an den Bäumen. Aber zum Teufel noch mal, was soll das heißen? Wie kann das Ihr Fall sein?«
    Das ließ ihn innehalten. Innehalten und ihr dieses bösartige Lächeln schenken, bei dem sie sich wieder wie eine Sechsjährige fühlte. In einem Tonfall, der sie zu einer Fünfjährigen werden ließ, erklärte er: »Das ist mein Fall, weil das Ding, das die Menschen in diesem Kofferraum getötet hat, das Ding, das ihr Blut getrunken hat, ein Vampir ist. Und wenn es um Vampire geht, habe ich das Kommando.«
    »Ach, kommen Sie, jetzt mal ernsthaft. Seit den Achtzigern ist kein Vampir mehr gesehen worden. Ich meine, gut, da war der, den sie vor zwei Jahren in Singapur erwischt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben. Aber das ist weit weg.«
    Er schien sie nicht einmal gehört zu haben. Er ging zu der Baumreihe hoch, und sie musste sich beeilen, um ihn einzuholen. Er war etwa zehn Zentimeter größer als sie und hatte einen längeren Schritt. Sie schoben ein paar Zweige zur Seite und sahen, dass die wild wuchernden Bäume nur eine Reihe bildeten und dass sich dahinter die langen, perfekten Alleen einer Pfirsichplantage erstreckten, deren knorrige Bäume im schwachen Mondlicht silbern glänzten. Ein bösartig aussehender fünfsträngiger Stacheldrahtzaun versperrte ihnen den Weg. Sie blieben stehen.
    »Da ist es«, sagte sie. Sie wollte nicht hinsehen. Es war viel schlimmer als das, was im Kofferraum war.

5.
    Arkeley ging neben dem Zaun in die Hocke und zog eine kleine Taschenlampe aus der Jacke. Im Zwielicht war ihr Strahl erstaunlich hell. Er wanderte das Beweisstück in seiner ganzen Länge entlang – es handelte sich um eine menschliche Hand und den Teil eines Unterarms. Die Haut war abgerissen und entblößte Knochen und Sehnen und Adern, die wie fleischige Schlingpflanzen aussahen. Am Ende des Stumpfes kräuselten sich die Gefäße zusammen, während das umliegende rohe Fleisch zermalmt war, als hätte man es mit einem nicht gerade scharfen Messer bearbeitet. Der Arm hatte sich im Stacheldraht verfangen. Man würde ihn nicht entfernen können, ohne den Zaun zu zerschneiden.
    Caxton hatte schon eine Menge schlimme Dinge erlebt. Sie war bei Enthauptungen dabei gewesen, hatte Eingeweide aus Körpern herausspritzen sehen und wie Leute von innen nach außen gekrempelt worden waren. Das hier war schlimmer. Weil es sich noch immer bewegte. Die Finger griffen ins Leere. Die Muskeln des Unterarms spannten sich an und entspannten sich dann erschöpft wieder. Das machten sie seit fast sechs Stunden, seit der Arm vom Körper des Verdächtigen abgerissen worden war.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Caxton. Sie war es leid, gegen die Erschöpfung anzukämpfen, und glaubte, Arkeley wüsste vielleicht mehr. »Wie kann so etwas passieren?«
    »Wenn ein Vampir Ihr Blut trinkt«, sagte er beinahe freundlich, »dringt sein Fluch in Sie ein. Er nagt an Ihnen, an Ihrer Leiche. Er kann Sie wieder auferstehen lassen, und Sie gehorchen seinen Befehlen, weil das alles ist, was noch in Ihrem Herzen und Ihrem Gehirn existiert. Sie leben für ihn. Sie dienen ihm. Der Fluch brennt in Ihnen und macht Sie zu einem unreinen Gegenstand. Ihr Körper beginnt schneller zu verwesen, als er sollte. Ihre Haut schält sich ab wie ein Leichentuch. Ihre Seele erstarrt. Wir bezeichnen solche Wesen als Halbtote. In Europa nannte man sie die Gesichtslosen.«
    »Dieser Typ war der Sklave eines Vampirs?«, fragte Caxton. »Ich habe gehört, dass sich Vampire Sklaven halten, aber ich wusste nicht, dass man ihnen den Arm abschneiden kann und er sich dann weiterbewegt. Davon ist in den Filmen keine Rede.«
    »Er war gerade dabei,
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