Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir
Autoren: David Wellington
Vom Netzwerk:
fühlen, wie es in meinem Gehirn juckte – er hypnotisierte mich. Oder was auch immer er da tat – ich weiß es nicht. Er konnte mich töten, wenn er Lust dazu hatte. Warum verschwendete er dann Zeit mit meinem Verstand?
    Die Rotoren des Helikopters über unseren Köpfen zerschnitten wütend die Luft. Der Suchscheinwerfer beleuchtete Lares’ Rücken und ließ sein Haar in hellem Glanz erstrahlen. Er kniff die Augen zusammen, als bereitete ihm das Licht Schmerzen. Dann packte er mich an der Taille und warf mich über seine Schulter. Ich konnte mich kaum rühren. Ich wollte treten und um mich schlagen und kämpfen, aber Lares drückte einfach bloß fester zu, bis meine Rippen eine nach der anderen wie Knallfrösche krachten. Danach hatte ich genug damit zu tun, weiter Luft zu holen.
    Er brachte mich nicht um. Seine Arme waren kräftig genug, um mich mühelos zu töten, so fest zu drücken, dass mir die Eingeweide aus dem Mund geschossen wären. Aber er hielt mich am Leben, vermutlich, um eine Geisel zu haben.
    Er lief los. Ich hüpfte auf seiner Schulter auf und ab, konnte nur sehen, was sich hinter uns befand. Er lief auf den Strip District zu, auf den Fluss. Als ich diesen Einsatz geplant hatte, hatte ich die Verkehrsüberwachung von Pittsburgh überzeugen können, die Straßen weiträumig abzusperren. Ich hatte für die Konfrontation eine sichere Umgebung gewollt. Lares schien die ungewöhnliche Stille auf den Straßen zu spüren. Er rannte aus meiner Sicherheitszone heraus, direkt in den Verkehr hinein. Fahrzeuge wichen uns hektisch aus, die Lichter ihrer heißen Scheinwerfer verwandelten den strömenden Regen in Dampf, der wie der Atem wütender Stiere in die Höhe stieg. Überall um uns herum gellten Hupen, und ich geriet in Panik und rief Gott an – Lares wäre nichts geschehen, wenn uns eines dieser Autos erwischt hätte, aber ich wäre mit Sicherheit zermalmt, überrollt, aufgespießt worden.
    Die Schmerzen, das Wasser in den Augen und die blendenden Scheinwerfer raubten mir fast völlig die Sicht. Ich hatte kaum mitbekommen, dass Lares auf die Brücke an der 16th Street gelaufen war. Ich konnte den Helikopter über mir fühlen, der mir folgte und dessen Rotorblätter in der Dunkelheit pulsierten. Ich spürte, wie Lares in die Knie ging, und dann – der freie Fall. Das Arschloch war einfach von der Brücke gesprungen.
    Wir trafen so schnell und so hart auf dem eiskalten Wasser des Allegheny auf, dass ich mir bestimmt ein halbes Dutzend Knochen brach. Die Kälte raste durch mich hindurch, als würden Eiszapfen auf mich einstechen. Mein Herz tat einen Satz, mein ganzer Kreislauf erstarrte. Lares zerrte mich in die Tiefe, in die Dunkelheit hinein. Ich konnte kaum sein weißes Gesicht erkennen, das von seinem im Wasser wallenden schwarzen Haar eingerahmt wurde. Es erinnerte an totes Seegras. Alle Luft schoss aus mir heraus, und ich fing an, Wasser zu schlucken.
    Wir können nur wenige Sekunden untergetaucht gewesen sein. Länger hätte ich das nicht überleben können. Ich erinnere mich, dass der Suchscheinwerfer des Helikopters das Dunkel in einer schrägen Bahn durchdrang, mal hier, mal dort, dann zu weit weg. Auf einmal konnte ich nichts mehr sehen. Luft traf mein Gesicht, als hätte man mir eine Eismaske auf den Schädel genagelt, aber wenigstens konnte ich atmen. Ich sog die kalte Luft ein, bis mein Körper brannte. Lares zerrte mich über die Fiberglasreling eines Bootes, eines Bootes, das unter unserem gemeinsamen Gewicht beunruhigend schaukelte. Dann zog er mich halbtot unter Deck.

3. Einsatzbericht von Special Deputy Jameson Arkeley, 4.10.83
(Abschluss)
    Langsam und qualvoll kroch Wärme in meine Fingerspitzen und meine Zehen zurück. Für eine Weile schien mein Gehirn Achterbahn zu fahren, und ich konnte meine Umgebung nicht erkennen. Meine Ohren dröhnten. Ich fühlte mich, als wäre ich dem Tod nur um Haaresbreite entgangen.
    Lares beugte sich über mich, wühlte mir mit den Fingern in Ohren und Mund herum. Er riss mir das Hemd von Hals und Schultern und tastete nach den Adern, drückte auf ihnen herum, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Dann ließ er mich einfach dort liegen, ungefesselt, als hätte er mich vergessen. Die ganze Zeit über hatte er kein einziges Wort zu mir gesagt. Mir wurde klar, dass ich keine Geisel war. Ich war der Mitternachtsimbiss. Ich hatte ihm genug eingeheizt, dass er zu der Ansicht gekommen war, nach Hause laufen und untertauchen zu müssen. Aber das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher