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DER LETZTE BESUCHER

DER LETZTE BESUCHER

Titel: DER LETZTE BESUCHER
Autoren: Chris Böhm
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auf den Fu ß boden hinter ihr. Die Sonne blendete sie, doch sie trat hinaus an die Brüstung und blickte nach unten. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte sie um die Hausecke herum noch ein Stück der Straße sehen.
    Undeutlich nahm sie wahr , wie Sabine dort unten um die Ecke verschwand, dann musste sie sich fes t halten, so schwindlig war ihr auf einmal. Lieber Gott, hilf mir, flüsterte sie unhörbar vor sich hin. Warum habe ich eben bloß g e logen? Sie ve r suchte, das Zittern in ihrem Körper unter Kontrolle zu bringen . Vor ihren Augen ve r schwamm alles. Sie griff nach dem Geländer, um sich festzuhalten und spürte en t setzt, wie es unter ihren Händen nachgab . Vor Schreck schrie sie laut auf, doch i m Fallen ve r spürte sie zu ihrem Erstaunen nichts als eine unendliche E r leichterung. Dann wurde es dunkel um sie.

2
     
     
     
     
     
     
     
    Er blickte auf die Uhr und überlegte . Nein, es war noch viel zu früh. Es würde auffallen, wenn er jetzt schon au f brach. Die a nderen tuschelten ohnehin schon hinter seinem Rücken. Ihm blieb g e nügend Zeit, er konnte sogar noch ein paar dringende Telefonate führen und Termi n absprachen treffen. Wie immer, wenn er den ganzen Tag unterwegs war, hatte sich eine beachtliche Anzahl an Tel e fonnotizen in seinem E-Mail Postfach angesammelt. Er war eben unen t behrlich , und seine Kollegen und Mitarbeiter wussten das. Jawohl . Er druckte die Notizen aus, blätterte den Stapel kurz durch und fischte einige heraus. Nach einem nochmaligen Blick auf die Uhr griff er entschlossen zum Telefon. Während er die erste Nummer eintippte, e r tappte er sich dabei, dass er keine Ahnung hatte, mit welchen Argumenten er jetzt gleich seinen Gespräch s partner am anderen Ende der Leitung b e sänftigen sollte. Der wartete schon seit Tagen auf seinen Rückruf und war vermutlich sauer auf ihn. Sein G e hirn war wie ausgehöhlt. Wut und Angst hatten es au s gehöhlt, hatten alle anderen Gedanken ve r drängt. Dabei war er doch bekannt dafür, dass er es als Einziger immer schaffte, jede noch so ve r fahrene Situation wieder gerade zu biegen. Man verließ sich stets auf ihn, wenn es galt, a ndere – egal ob Freund oder Gegner – zu überzeugen oder zu b e ruhigen und wieder einmal die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Aber jetzt war sein G e hirn leer, und er spürte, wie das Gefühl der Ohnmacht wieder in ihm hochkroch und in die Leere hineinschwappte. Er ließ den Hörer sinken und ve r suchte sich zu entspannen. Vergeblich. Zum Teufel mit dem Tel e fon, morgen war auch noch ein Tag.
    Der Druck in seinem Kopf war wieder stärker g e worden, obwohl er erst nach dem Mittagessen zwei seiner kleinen Heilsbringer geschluckt hatte. Er kniff die Augen z u sammen und presste die Fäuste gegen die Schläfen. Sein linkes Auge n lid zuckte. Ruhe, alter Junge, du darfst jetzt nicht durchdrehen. Du hast alles im Griff, hörst du, kein Grund zur Panik, redete er sich selbst gut zu. Dann erhob er sich, ging in den Nebenraum und schloss vo r sorglich erst einmal die Tür hinter sich, bevor er aus dem Schrank einen Kogna k schwenker holte und sich aus der bauchigen Besucherflasche gute zwei Fingerbreit ei n schenkte. Er stürzte die goldbraune Flüssigkeit in einem Zug hinunter und spürte erleichtert, wie sie sich ihren Weg hinunter in seinen Magen brannte und er sich jetzt endlich en t spannte. Er wandte sich zum Fenster, öffnete es und atmete ein paar Mal tief durch.
    Kein Mensch , der ihn kurz darauf mit federnden Schritten und freundlich unbeteiligtem Gesichtsau s druck aus seinem Büro kommen sah, hätte vermutet, dass dieser Mann derselbe war, der noch Minuten zuvor nicht in der Lage g e wesen war, ein ganz normales Telefo n gespräch zu führen.
    „Sie brauchen nicht auf mich zu warten, Süße , machen Sie ruhig Schluss für heute. Ich hole mir nur eben einen Happen zu essen und muss danach noch ein paar Unte r lagen durchsehen.“
    Er blinzelte der Sekretärin, die offensichtlich auf ihn g e wartet hatte, obwohl eigentlich schon Feierabend war, ve r schwörerisch zu und verließ den Raum mit federnden Schritten . Unterlagen durchsehen, das war die allgemeine Bezeichnung für ungeliebte Pflichtau f gaben, die meistens mit Übe r stunden verbunden waren. Im Pub gegenüber trank er noch einen weiteren schnellen Kognak, bevor er sich schlie ß lich auf den Weg machte.

3
     
     
     
     
     
     
     
    Sabine Schneider schaute auf die Uhr . Gleich halb vier. Die Besprechung
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