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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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Müller, ängstlich nach oben blickte, ob das Gebälk wohl halten würde. Neben ihm auf einem ausgedienten Mahlstein saß der Dorfschulze und kaute an einem abgeknickten Roggenhalm.
    »Wann wird denn Hochzeit sein?« fragte der Besucher.
    Kerstian zuckte mit den Schultern. »Das hat wohl Zeit.«
    Der Dorfschulze lachte. »Dir fällt die Auswahl schwer, was?«
    Diese Frage wurde begleitet von einem Blick auf den etwas tiefer gelegenen Hof, wo drei Frauen geschäftig bei der Arbeit waren. Katharina Rehbock hängte Wäsche auf, während ihre beiden Töchter die Tiere fütterten. Adela, gerade fünfundzwanzig Jahre alt geworden, streute Körner für die Hühner, während Agnes, die jüngere Schwester, den Schweinetrog mit Kleie füllte. Denecken, der Knecht, schleppte derweil zentnerschwere Säcke zum Wagen des Schulzen.
    Der gefiel sich weiterhin in der Rolle des lüsternen Kupplers. »So drall wie die Adela und die Agnes beide sind, da wüßte ich nicht, wen ich lieber unter meiner Daunendecke hätte. Aber dir geht's ja wohl vor allem um die Mühle.«
    »Die Katharina Rehbock kann ich nicht zur Frau nehmen. Was, wenn der Müller aus dem Heiligen Land zurückkommt?« gab Kerstian zu bedenken.
    Der Dorfschulze winkte ab. »Gütiger Gott, seit sechs Jahren ist unser Jakob Rehbock nun verschwunden, der ist längst tot. Seine Gebeine bleichen da am Jordan oder irgendwo.«
    »Ich weiß nicht recht.« Kerstian fehlte offenbar der Mut. »Solange sie nicht richtig Witwe ist …«
    »Dann nimm die Adela.«
    Wieder zögerte der neue Müller. »Nun … die ist so eigen und schweigt nur immer. Und andauernd ist sie am Beten.«
    »Die hat's vielleicht im Koppe hier, genau wie ihr Vater!« Der Dorfschulze faßte sich an den Kopf, um anzudeuten, daß er alle Jerusalempilger als Verrückte ansah. »Einfach so alles aufgeben hier, das ist doch …! Egal, ob man Bauer oder Müller ist.«
    »Sag das nicht …« Kerstian setzte sich nun ebenfalls. »Was hast du denn hier? Als Kossät deine zehn Hühner, von denen du die Hälfte auch noch abzugeben hast an alle möglichen Herren. Sonst nur Knochenarbeit auf den Feldern. Aber an Korn ist nicht viel zu ernten. Das bißchen, was die Bauern mir zum Mahlen bringen …«
    »Unser Herrgott hat sich etwas gedacht bei allem, was ist«, sagte der Dorfschulze, ohne daß er es so recht zu glauben schien. »Alle können leben davon.«
    »Aber wie? Als Hüfner, mit zwei Hufen im Gewann, was hast du denn da? Dem Grundherrn mußt du seinen Zins entrichten, der Kirche den Zehnten und die Bede an den Markgrafen …«
    »… sofern wir einen haben.«
    »Die wachsen nach wie das Unkraut im Feld«, lachte Kerstian und sah zum Kloster hinüber. »Wie die Äbte da.« Er sah sich im Kreuzgang stehen, in einer Reihe mit den anderen, den Korb mit Eiern in der Hand, während der Bruder in der weißen Kutte mit ihm feilschte, ob die Gans, die er ihm gereicht hatte, fett genug war oder nicht. Alles wurde fein säuberlich in einer Kladde festgehalten. Und die feisten Herren Nichtstuer mästeten sich dann an dem, was er im Schweiße seines Angesichts gesät und geerntet, gezüchtet und geschlachtet hatte. Er hoffte jeden Winter, wenn der Schnee meterhoch lag und die Wölfe aus dem Weichselland kamen, daß sie diese unnütze Brut auffraßen bis zum letzten Mann.
    »Ach ja«, begann nun auch der Schulze zu stöhnen, »es sind schlimme Zeiten angebrochen. Die Menschen werden immer weniger, und wer ist denn schließlich noch da, das Brot zu essen, für das wir hier auf unseren Feldern sorgen … und du mit deiner Mühle. Andererseits …«
    Die beiden Männer schwiegen und ließen ihre Blicke zum Dorf hinübergehen. Das Gotteshaus, obwohl nur klein und aus Feldsteinen gebaut, überragte das Dorf. Um den Anger herum duckten sich die Häuser der Hüfner und Kossäten, ein wenig ärmlich allesamt, strohgedecktes Fachwerk aus Lehm und Weidengeflecht, Hufschmied und Krüger dazwischen. Der größte Hof gehörte selbstverständlich dem Schulzen, der seit kurzem auch die Zeidelei betrieb und aus seinen Bienenkörben schon so viel Honig erntete, daß sie sogar vom Kloster kamen, um danach zu fragen. Von der Schmiede drangen fröhliche Hammerschläge herauf.
    »Wie auch immer«, brach Kerstian schließlich das Schweigen, »der Boden ist gut, und wir leben von ihm. Wir haben unsere Hochzeiten und Feste. Sieh nur die Kinder!«
    Einige der Knaben waren heraufgekommen, hatten sich einen Besenstiel zwischen die Beine geklemmt und
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