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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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Kirche. Aber der Zauber wirkt nur, solange ich eine reine Jungfrau bin. Deshalb schone mich. Wenn du es tust, dann will ich dich an meinem Zauber teilhaben lassen und dir verraten, wie auch du unverwundbar wirst.«
    Skirgal stierte sie an. Wilde Lust schoß in ihm auf, und alles drängte ihn, sie aufs Bett zu werfen und zu nehmen. Doch sein Ehrgeiz hielt ihn zurück. Wenn es stimmte, was sie sagte, konnte er vielleicht David von Grodno besiegen und selber Heerführer werden.
    Anselma war sein Zögern nicht entgangen. Heilige Katharina, hilf mir, dachte sie, griff ihr Kruzifix, kniete vor dem Fremden nieder und fuhr dann fort: »Versuch es an mir selbst, ob mein Zauber wirkt. Siehe, ich knie vor dir nieder, und ich halte dieses Kruzifix in den Händen. Und wenn ich die Worte gesprochen habe, die ich dich lehren will, dann hebe dein scharfes Schwert und versuche, mich zu köpfen. Schlag ruhig zu mit aller Kraft. Du wirst sehen, kein Tropfen Blut wird fließen. Dabei trage ich doch keinen Panzer um den Hals, sondern sage nur die Worte: ›Meinen Geist, Herr, gebe ich in deine Hände.‹ Dieses allerdings in einer anderen Sprache. Warte nur …«
    Skirgal, durchtrieben wie kein zweiter, sah den hellen Schimmer in Anselmas Augen, und er glaubte ihr.
    »In manus tuas, domine, commendo spiritum meum.«
    Da schlug der Litauer mit beiden Händen zu. Der Kopf der Schwester Anselma rollte ihm vor die Füße, und ein dicker Blutstrahl schoß hervor.
    Als König Ludwig IV. der Bayer im Alten Hof zu München von diesen und ähnlichen Vorfällen Kenntnis erhielt, diktierte er seinem Schreiber eine Urkunde folgenden Inhalts:
    O Jammer! Der, welcher sich jetzt in lügenhafter Weise Papst Johannes XXII. nennt, hat, was menschliche Ohren kaum zu vernehmen wagen, dem Ordensgebieter des deutschen Hauses der heiligen Maria in Preußen die Beobachtung eines Landfriedens mit den Ungläubigen an den Grenzen streng anbefohlen, damit sie zum Vorteil des christlichen Glaubens handeln, von welchem er in lügenhafter Weise vorschützt, daß er dessen augenscheinlichen Verfall wahrnehme. Wie viele Totschläge der Gläubigen sind durch diese gefährliche Erdichtung veranlaßt an wimmernden Kindern in der Wiege, an Männern und Weibern, die durch das Schwert der Ungläubigen niedergemetzelt wurden, wie viele sind zu ewiger Gefangenschaft fortgeführt, welch ein Wehklagen hat sich erhoben von Nonnen und gottgeweihten Jungfrauen, von Witwen und Ehefrauen, die mit auf den Rücken gebundenen Händen gewaltsam an Bäume gefesselt, genotzüchtigt wurden, welche Entweihungen wurden begangen an Kirchen und Sakramenten, besonders aber an dem köstlichsten und verehrungswürdigen heiligen Leibe Christi, den sie mit Lanzen durchstachen, in die Höhe hoben und Christo und allen Christgläubigen zum Ärgernis und zur Gotteslästerung ausriefen: Sehet hier den Gott der Christen! Wie ist die um ihre Söhne und Töchter klagende Mark Brandenburg mit Trauer und Jammer erfüllt! So hat sich dieser schändliche Verfolger gemacht zum Räuber der Familien, zum Verderber des Volkes, zum Totschläger der Söhne …
    Vor dem Fenster spielten seine eigenen Söhne, Ludwig und Stephan, mit ihren Freunden, allen voran ihr Cousin Meinhard v. Attenweiler, der ihnen, zum Verdruß des Königs, an Geist und Körperkraft weit überlegen war. Die Aufsicht über die Knaben führte Margarete, die Tochter des Königs Christoph II. von Dänemark, die zehn Jahre älter war als Ludwig. Im Mai des Jahres 1323 hatte man Ludwig V., wie er im Hause Wittelsbach offiziell hieß, mit Margarete vermählt und mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt, die nach dem Tode des letzten Askaniers, des Markgrafen Waldemar, 1319 frei geworden war. Politische Kinderehen dieser Art waren so selten nicht, und Kaiser Ludwig verfolgte mit ihr die nördliche Erweiterung und Befestigung seines Herrschaftsbereichs. Für den achtjährigen Ludwig führte der Graf Berthold VII. von Henneberg die Geschäfte in der Mark Brandenburg, assistiert von einem juristisch gebildeten Rat. Doch das Geld, Brandenburg militärisch zu schützen, hatte Kaiser Ludwig nicht, auch hing sein Herz nicht an der Altmark, an der Prignitz, an der Uckermark, an der Herrschaft Ruppin und an der Terra Transoderana, der Neumark jenseits der Oder.

 

    KAPITEL 3
    1325 – Terra Transoderana
    V on der Oder her blies ein böiger Wind über das leicht gewellte Land und ließ die Mühlenflügel so schnell kreisen, daß Kerstian, der neue
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