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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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wie ich bin – und ich bin frei von jeder Hoffart.«
    »Nun …« Die Äbtissin breitete die Hände aus, als wolle sie Anselma segnen, meinte mit dieser Geste indessen nur, daß für solche Betrachtungen die rechte Zeit nicht sei. »Alle Schwestern flüchten sich in die Kirche.«
    Anselma wandte sich zur Tür. »Ich eile ja schon.«
    Doch die Mutter Oberin hielt sie zurück. »Nein, geh du nicht mit uns, Schwester Anselma, denn uns schützt wohl der Herr, unser Gott, weil wir alt sind und gebrechlich. Du aber drohst mit deiner sündigen Schönheit unsere heilige Sterbestunde zu entweihen. Und darum entlasse ich dich, kraft der Macht, die mir gegeben, aus unserer Gemeinschaft. Flüchte dich, wohin du magst, und ich wünsche dir alles Glück. Verbirg dich im Dorf oder zieh mit den Krämern, die über den Fluß setzen; aber bleibe nicht bei uns, denn deine Schönheit ist uns allen verderblich.«
    Anselma erschrak, die Tränen schossen ihr in die Augen. Oft hatte sie ihr hübsches Gesicht im Spiegel bewundert, jetzt aber wünschte sie, häßlich zu sein, denn ihre Schwestern verstießen sie ihrer Schönheit wegen. »Bitte, laßt mich nicht allein«, flehte sie. »Nehmt mich zu den anderen mit.«
    »Die Zeit drängt, mein Kind.«
    Da kniete Anselma nieder und erbat den Segen der frommen Frau.
    Die Äbtissin legte ihr die Hand auf den Scheitel und sprach: »So bewahre dich selber unter Gottes Beistand; und wie er dir Schönheit verlieh, so verleihe er dir auch Klugheit, daß du dich und deine Reinheit ihm errettest, dem du angehörst.«
    Damit verließ sie das Chorgestühl und ging zu den Schwestern hinüber in die Kirche. Anselma aber floh nicht zur Oder hinunter, sondern kehrte in ihre Zelle zurück und warf sich vor ihrem Betpult zu Boden. Alsbald hörte sie wüsten Lärm, Axtschläge und entmenschte Schreie. Wie ein Sturmwind fegten die litauischen Soldaten durch die Höfe, Kreuzgänge und Chöre. Die Kirchenfenster standen offen, und der Gesang der Schwestern drang zu ihr herauf.
    Die alte Äbtissin stand mit ihren Nonnen am Hochaltar. Sie sangen die heiligen Horas, die Stundengebete. Und als die Litauer säbelschwingend ins Kirchenschiff einbrachen, drängten sich alle um das Kruzifix. Eine jede berührte es, und zur heiligen Katharina hatten sie vorher gebetet, daß sie ihre Unschuld bewahren und ihr Martyrium würdigen möge. So trat ein, was sie erwartet hatten. Alle, wie sie da standen, wurden von den Heiden niedergemetzelt.
    Anselma hörte ihre Todesschreie, hatte deutlich das Bild vor Augen, wie sie zu Füßen ihres Heilands starben, der auch für sie geblutet hatte, und konnte keinen Finger rühren.
    Nun war es still. Dann aber brach der Sturm von neuem los, denn jetzt verteilten sich die Mörder in den Gängen und Zellen, um Beute zu machen. Anselma hörte Fußtritte, die sich auf der Treppe näherten. Zelle um Zelle krachten die Türen auf. Und nun war ihre an der Reihe. Die Tür flog aus den Angeln und knallte gegen die Wand. Das löste ihre Erstarrung, und das Blut pulste ihr wieder durch die Adern. Der Herr war bei ihr, sie wußte es, und er gab ihr Kraft. Und so häßlich der Litauer ausschaute, mit Blut und Schmutz besudelt, er konnte sie nicht schrecken.
    Skirgal aber erstarrte, als sich Anselma aufgerichtet hatte. Eine so schöne Frau war ihm noch nie begegnet. Fast wäre ihm das Schwert aus der Hand gerutscht, als sie mit festen Schritten auf ihn zutrat und zu sprechen begann.
    »Ich weiß, warum du kommst, und ich bin dein, mit allem, was mein ist, nach dem Recht des Krieges. Nimm es, wenn du willst, du siehst, ich bin ein schwaches Weib und kann mich nicht verteidigen.« Anselma machte eine kleine Pause. »Aber wenn du es nimmst: was bleibt dir anderes als die Lust des Augenblicks? Wenn du mich fortschleppst, gehöre ich nicht mehr dir allein, sondern allen deinen Gesellen. Aber falls du verständig bist und den Handel eingehst, den ich dir vorschlage, so will ich dir etwas bieten, das dein Leben lang bleibt – und du wirst ein großer Krieger werden unter deinem Volke.«
    Skirgal hörte es mit Verwunderung, denn so hatte er noch nie eine Frau sprechen hören. Es ging ein seltsamer Zauber von ihr aus, und warum sollte sie nicht ein Geheimnis kennen, das ihm bislang entgangen war? »Sprich weiter«, sagte er.
    »Ich verfüge über magische Kräfte, und wenn ich sie gebrauche, kann kein Stahl mich treffen. Sonst stünde ich nicht hier, sondern wäre mit meinen Schwestern gefallen unten in der
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