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Der Lavendelgarten

Der Lavendelgarten

Titel: Der Lavendelgarten
Autoren: Lucinda Riley
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die Treppe hinauf. Irgendetwas machte sie unerreichbar. Er hatte keine Ahnung, wie er an sie herankommen sollte.
    Als Emilie sich erhob und die Kaffeetassen in die Spüle stellte, öffnete sich die Küchentür, und Margaux, die Haushälterin des Châteaus, trat ein. Ein Strahlen ging über ihr Gesicht.
    »Mademoiselle Emilie!« Margaux drückte sie. »Ich wusste gar nicht, dass Sie kommen! Sie hätten Bescheid sagen sollen. Dann hätte ich alles für Sie vorbereitet.«
    »Ich bin gestern spät von Paris eingetroffen«, erklärte Emilie. »Schön, Sie zu sehen, Margaux.«
    Margaux trat einen Schritt zurück, um Emilie zu mustern. »Wie geht es Ihnen?«
    »Ich komme zurecht«, antwortete Emilie ehrlich, weil der Anblick von Margaux, die sich um sie gekümmert hatte, wenn Emilie als junges Mädchen den Sommer im Château verbrachte, ihr die Kehle zuschnürte.
    »Sie sind dünn. Essen Sie genug?«
    »Natürlich, Margaux! Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich verhungere.« Emilie ließ lächelnd die Hände über ihren Körper gleiten.
    »Sie haben eine gute Figur – kein Vergleich zu mir!« Margaux deutete schmunzelnd auf ihre eigenen Rundungen.
    Emilie betrachtete ihre wässrig blauen Augen und die blonden, von grauen Strähnen durchzogenen Haare. Fünfzehn Jahre zuvor war Margaux noch eine schöne Frau gewesen. Emilie wurde traurig bei dem Gedanken, wie die Zeit alles zerstörte.
    Da öffnete sich erneut die Küchentür, und herein kam ein kleiner, schmaler Junge, dessen riesige blaue Augen sein zartes Gesicht beherrschten. Er sah Emilie überrascht an und wandte sich unsicher seiner Mutter zu.
    »Maman? Ist es in Ordnung, dass ich hier bin?«, fragte er Margaux.
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn Anton bei mir im Château ist, während ich arbeite, Mademoiselle Emilie? Wir haben Osterferien, und ich möchte ihn nicht allein zu Hause lassen. Er beschäftigt sich normalerweise still mit einem Buch.«
    »Kein Problem«, antwortete Emilie und schenkte dem Jungen ein beruhigendes Lächeln. Margaux hatte ihren Mann acht Jahre zuvor bei einem Autounfall verloren und zog ihren Sohn seitdem allein auf. »Hier ist doch Platz für uns alle, nicht wahr?«
    »Ja, Mademoiselle Emilie. Danke«, sagte Anton und ging zu seiner Mutter.
    »Gerard Flavier, unser notaire , ist oben. Er bleibt über Nacht, Margaux«, teilte Emilie der Haushälterin mit. »Wir wollen zum Weinberg hinüber, zu Jean und Jacques.«
    »Dann richte ich sein Zimmer her, während Sie weg sind. Soll ich etwas zu Abend kochen?«
    »Nein, danke. Zum Essen gehen wir später in den Ort«, sagte Emilie.
    »Da wären einige Rechnungen fürs Haus, Mademoiselle. Darf ich Ihnen die geben?«, fragte Margaux verlegen.
    »Ja, natürlich.« Emilie seufzte. »Es gibt ja keinen sonst, der sie zahlen könnte.«
    »Nein. Mein Beileid, Mademoiselle. Es muss schwer sein für Sie, so allein. Ich weiß gut, wie sich das anfühlt.«
    »Danke. Wir sehen uns später, Margaux.« Emilie nickte Mutter und Sohn zu und verließ die Küche, um sich zu Gerard zu gesellen.
    Am Nachmittag begleitete Emilie Gerard zum Weinkeller. Der Weinberg der de la Martinières war klein, umfasste gerade einmal zehn Hektar und warf zwölftausend Flaschen sehr hellen Rosé-, Rot- und Weißwein pro Jahr ab, der hauptsächlich an örtliche Läden, Lokale und Hotels verkauft wurde.
    Im Innern der cave war es dunkel und kühl, und in der Luft lag der Geruch des in den riesigen russischen Eichenfässern gärenden Weins.
    Als sie eintraten, erhob sich Jean Benoit, der Verwalter des Weinkellers, von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch.
    »Mademoiselle Emilie! Was für eine Freude, Sie zu sehen!« Jean begrüßte sie herzlich mit Küsschen auf beide Wangen. »Papa, schau, wer da ist!«
    Jacques Benoit, der trotz seiner über achtzig Jahre und seiner vom Rheuma steifen Glieder noch jeden Tag an einem Tisch in der cave saß und sorgfältig jede Flasche Wein in lilafarbenes Papier wickelte, hob lächelnd den Blick. »Mademoiselle Emilie, wie geht es Ihnen?«
    »Gut, danke, Jacques. Und Ihnen?«
    »Nun ja, auf die Eberjagd wie früher mit Ihrem Papa könnte ich heute nicht mehr.« Er schmunzelte. »Aber immerhin wache ich noch jeden Tag auf.«
    Emilie freute sich über die herzliche Begrüßung. Ihr Vater war mit Jacques befreundet gewesen, und Emilie war oft mit dem acht Jahre älteren Jean, den sie damals sehr erwachsen fand, zum Schwimmen an den nahe gelegenen Strand von Gigaro geradelt. Manchmal hatte Emilie sich
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