Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
Autoren: Danielle Steel
Vom Netzwerk:
Trauer, senkte er den Kopf, als Gabriella an ihm vorbeischlich. Er tröstete sie nicht, berührte sie nicht, wich ihrem Blick aus, weil er ihre Verzweiflung nicht ertrug.
    »Geh in dein Zimmer und bleib dort!« Mommys Befehl gellte in Gabriellas Ohren und folgte ihr durch den Flur. Mit zitternden Fingern strich sie über ihre Wange. Jetzt war sie ein großes Mädchen, das wusste sie. Deshalb war es umso schändlicher, dass sie ihre Mutter dauernd ärgerte.
    Schluchzend stürmte sie nun in ihr Zimmer, rannte zum Bett und umklammerte ihre Puppe – das einzige Spielzeug, das sie besitzen durfte. Das hatte ihr die Großmutter, die Mutter ihres Vaters, kurz vor dem tödlichen Autounfall geschenkt. Die hübsche, blonde, blauäugige Puppe hieß Meredith, die einzige Verbündete des kleinen Mädchens. Unglücklich saß Gabriella auf dem Bett, wiegte Meredith hin und her und fragte sich, warum die Mutter sie so hart bestraft hatte, warum sie so ein schlimmes Kind war. Und sie erinnerte sich an den Kummer in den Augen ihres Vaters. Offenbar war er bitter enttäuscht, weil er vergeblich gehofft hatte, sie würde sich bessern. Stattdessen war sie nach wie vor das »kleine Monster«, wie Mommy sie nannte. Und Gabriella glaubte ihr. Alles machte sie falsch. Sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte die Eltern nicht zufrieden stellen und den schmerzhaften Schlägen unmöglich entrinnen. Daran würde sich nichts ändern. Sie war einfach unfähig, die Liebe ihrer Eltern zu gewinnen, und sie würde es auch gar nicht verdienen. Gar nichts verdiente sie, nur die Prügel. Das verstand sie. Trotzdem fragte sie sich, warum Mommy andauernd so böse war und sie dermaßen hasste.
    Was hatte sie denn verbrochen? Sie weinte lautlos und fand keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Niemand vermochte sie zu retten. Nicht einmal der Vater. Alles, was sie auf dieser Welt hatte, war Meredith – ihre einzige Freundin. Keine Großeltern, keine Tanten oder Onkel, keine Freundinnen oder Kusinen. Niemals durfte sie mit anderen Kindern spielen. Wahrscheinlich, weil sie so schlimm war. Die würden sie ohnehin nicht mögen. Wer konnte sie denn lieben, wenn sie sogar von ihren Eltern verabscheut wurde? Natürlich durfte sie niemandem verraten, wie oft sie von Mommy verprügelt wurde. Sonst würde sie beweisen, wie unartig sie war. Wenn sie in der Schule gefragt wurde, wie sie sich verletzt habe, erklärte sie stets, sie sei die Treppe hinuntergefallen oder über den Hund gestolpert, obwohl ihre Eltern keinen besaßen. Ihr schreckliches Geheimnis musste sie hüten, sonst würden die Leute erfahren, wie grauenhaft sie sich benahm. Und das wollte sie nicht.
    Ihre armen Eltern traf keine Schuld – nur Gabriella allein, weil sie so viele Fehler beging und Mommy ständig ärgerte.
    Während sie so ihre Puppe im Arm hielt und darüber nachdachte, drangen Mommys und Daddys Stimmen zu ihr. Wie so oft schrien sie sich an. Auch daran war sie schuld. Wenn die Mutter sie geschlagen hatte, hörte sie den Vater manchmal schreien. So wie jetzt. Die Worte verstand sie nicht. Aber wahrscheinlich ging es wieder einmal um ihre Missetaten. Weil sie so ein garstiges Mädchen war, veranlasste sie die Eltern zu streiten, und sie machte die beiden furchtbar unglücklich.
    Schließlich weinte sie sich in den Schlaf. Im Traum spürte sie immer noch die Schmerzen an ihrer Wange, an ihrem Schenkel, wo die Mutter sie getreten hatte. Und sie träumte von schöneren Dingen, von einem Garten oder einem Park voller fröhlicher Menschen und lachender Kinder, die mit ihr spielten. Eine hoch gewachsene, schöne Frau kam zu ihr, breitete die Arme aus und beteuerte, sie würde Gabriella lieben. Es war ein wundervoller Traum, und das kleine Mädchen lächelte das erste Mal an diesem Tag.
    »Fürchtest du nicht, du könntest sie eines Tages umbringen?«, fragte John seine Frau. Verächtlich und belustigt starrte sie ihn an. Er hatte zu viel getrunken. Schwankend stand er vor ihr. Seit sie begonnen hatte, Gabriella zu verprügeln, suchte er Trost im Alkohol. Das erschien ihm einfacher, als ihrem Treiben ein Ende zu setzen oder eine Erklärung für ihr Verhalten zu finden. Wenn er sich betrank, konnte er die unerträgliche Situation einigermaßen verkraften – was seiner Tochter allerdings nichts nützte.
    »Ich will ihr nur ein bisschen Vernunft einbläuen. Sonst hängt sie womöglich eines Tages an der Flasche, so wie du. Das würde ich ihr gern ersparen.« In entspannter Haltung saß Eloise
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher