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Der lange Regen

Der lange Regen

Titel: Der lange Regen
Autoren: David Kenlock
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Idee, mit der Polizei zu kooperieren.
    „Woran ist er gestorben?“ Ich dachte an Drogen oder Ähnliches.
    „Erdrosselt.“
    „Raub?“
    „Schwer zu sagen.“
    Ich wusste, worauf er anspielte. In den unteren Ebenen hätte das Opfer schon nach drei Minuten alle Besitzgegenstände verloren, selbst wenn der eigentliche Täter nichts mitgenommen hatte. Nach einem Tag konnte man froh sein, wenn er noch alle Organe hatte.
    „Wie geht es jetzt weiter?“
    Westmanns Augen blickten mich starr an. „Du machst dich sofort auf den Weg. Behring ist schon am Tatort. Er erwartet dich. Die genaue Wegbeschreibung ist unterwegs.“
    Tatsächlich. Das CD-Laufwerk unterhalb meines Com-Schirms öffnete sich und spuckte eine Holo-Scheibe aus, die ich später nur in den Informationsschlitz eines Cab-Transporters stecken musste, um exakt an den richtigen Ort gebracht zu werden.
    „Josh.“
    „Ja?“
    „Bau keinen Mist. Mein Kopf steht auf dem Spiel.“
    Ich nickte verständnisvoll, aber Westmann konnte es nicht mehr sehen. Er hatte nach seinem letzten Wort die Verbindung unterbrochen, und nur mein Spiegelbild auf dem schwarzen Bildschirm beachtete meine freundliche Geste.
     
     

2. Eine Welt ohne Farben
     
    Wenig später verließ ich mein Appartement und rief einen Cab-Transporter. Als ich einstieg und meine Holo-Scheibe in den Informationsschlitz steckte, dachte ich kurz daran, dass die Menschen noch vor zweihundert Jahren Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren benutzt hatten. Primitiv.
    Heute war das ein unvorstellbarer Gedanke. Es gab keine Straßen mehr und die Gleiter, die sich Science-Fiction-Autoren ausdachten, würden niemals Realität werden. In den Megametropolen des 24.Jahrhunderts gab es keinen Platz für unorganisierten Verkehr. Die einzelnen Gebäude, die es früher gegeben hatte, waren mit der Zeit immer näher zusammengerückt, bis am Schluss nur noch ein einziger riesiger Komplex übrig geblieben war. So sah es aus. Überall auf der Welt. Fahrzeuge, die ausschließlich der eigenen Nutzung zur Verfügung standen, hatten keine Berechtigung mehr in unserer Zivilisation.
    Die Cabs basierten auf dem gleichen Prinzip wie die früheren Rohrpostsysteme. An vakanten Punkten konnte man sie rufen und sich durch ein verschachteltes Netz von Gleitbahnen und Schleusen zu praktisch jedem Knotenpunkt in Hamburg bringen lassen. Transportbänder nahmen einem die restliche Strecke ab, so dass niemand zu Fuß gehen musste, wenn er nicht wollte.
    Die Stimme des Autopiloten meldete die Abfahrt. Sicherheitsgurte erschienen aus Schlitzen neben den Armlehnen und legten sich um meinen Körper. Ich lehnte mich in die weiche Polsterung des Sitzes zurück und schloss die Augen, um ein wenig Schlaf nachzuholen. Im Augenblick wäre es sinnlos gewesen, sich Gedanken über die Ermordung von Reutter-Schmid zu machen. Erst brauchte ich mehr Informationen und ausreichend Schlaf, um sie zu verarbeiten.
     
     
    Mit dem Zischen der pneumatischen Bremsen kam das Cab zum Stehen. Ich stieg aus und Ebene Siebzehn lag wie ein wuchernder Moloch vor mir.
    Erst einmal in meinem Leben war ich so weit unter der Erde gewesen. Damals hatten mich Ermittlungen bis zur 13.Ebene geführt, aber hier sah es schlimmer aus. Viel schlimmer.
    Fast alle Stahlträger lagen blank und rosteten schweigend vor sich hin. Der Putz war längst verschwunden. Kondenswasser lief am Metall hinunter und sammelte sich in stinkenden Pfützen. Die Luftfeuchtigkeit war atemberaubend. Ich war noch keine zwanzig Schritte gegangen, da rann mir schon der Schweiß den Nacken hinunter.
    Hier unten herrschte ein düsteres Grau, das nur spärlich von Biogaslampen unterbrochen wurde, die müde ihren schwachen Schein in eine Welt ohne Farben sandten. Abfall und Unrat türmten sich zu verrottenden Haufen. Ratten wühlten auf der Suche nach Essbarem darin herum. Der Gestank von Fäulnis lag schwer in der Luft.
    Man hätte meinen sollen, dass niemand in dieser Umgebung leben wollte, aber das genaue Gegenteil war der Fall. Wahre Menschenmengen strömten durch die weiten Korridore. Eine Vielzahl von Sprachen erfüllte die Atmosphäre.
    Während ich den Anweisungen der Holo-Scheibe folgte, die inzwischen in dem Mini-Com an meinem rechten Handgelenk steckte, beobachtete ich die Menschen um mich herum. Mir selbst schenkte niemand Beachtung.
    An einer Ecke, auf einer umgedrehten Mülltonne, saß eine Matrix-Hexe vor einem handgeschriebenen Plakat, das ihre Fähigkeiten anpries. Ihr Spezialgebiet waren
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