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Der Küss des schwarzen Falken

Der Küss des schwarzen Falken

Titel: Der Küss des schwarzen Falken
Autoren: Barbara McCauley
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aufgewirbelt hatten, stand noch immer in der flimmernden Luft. So weit das Auge reichte, gab es in dieser eintönigen Ebene nur ein paar vereinzelte Kakteen und Dornbüsche. Grace lauschte. Das leise Quietschen der Schaukel im Wind war alles, was in der bleiernen Stille zu hören war. Was für ein gottverlassener Ort! Nicht einmal ein Hofhund kam ihr entgegen und bellte sie an.
    “Kann ich Ihnen irgendwie helfen?”
    Grace fuhr herum. Die Frau, die sie angesprochen hatte, sah ein wenig bedrückt, aber nicht unfreundlich aus. Sie war schlank und hochgewachsen. Ihr kurz geschnittenes dunkles Haar begann grau zu werden. Sie trug eine schwarze Hose, eine kurzärmlige Bluse und schwarze Cowboystiefel.
    “Hallo”, erwiderte Grace lächelnd. “Mein Name ist Grace Sullivan. Es tut mir leid, dass ich Sie einfach so überfalle.”
    “Keine Ursache.” Die Frau trat näher und begrüßte sie mit einem festen Händedruck. “Ich bin Mary Sloan.”
    Wer kann sie sein, überlegte Grace. Seine Frau? Seine Schwester? Sie wusste fast nichts über den Mann, den sie suchte. “Ich wollte zu Rand Sloan. Wohnt er hier?”
    Die Frau lächelte. Die Frage schien sie zu amüsieren. “Nein, schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr.”
    Grace seufzte. Schon wieder ein Fehlschlag. Einen weiteren konnte sie sich nicht leisten. “Haben Sie denn eine Ahnung, wo ich ihn finden könnte? Es ist sehr dringend”, fügte sie hinzu.
    “Hab ich”, antwortete Mary trocken. “Sie finden ihn dort drüben in der Scheune.”
    In der Scheune? Einfach so? Grace konnte es kaum glauben. Unzählige Male hatte sie schon vergeblich nach ihm gefragt. Endlose Meilen war sie der Spur des geheimnisvollen Rand Sloan gefolgt. “Kann ich zu ihm gehen?”, fragte sie lebhaft.
    “Natürlich.” Mary ging an ihr vorbei die Stufen zur Veranda hinauf. Dann blieb sie plötzlich stehen. “Wenn Sie allerdings von dem Rechtsanwalt aus Wolf River kommen, rate ich Ihnen, ihm nicht zu nahe zu kommen.”
    Grace schüttelte verständnislos den Kopf. “Ich komme von keinem Rechtsanwalt.”
    Mary nickte zufrieden. “Umso besser.” Damit verschwand sie im Haus.
    Grace schaute ihr verblüfft nach. Dann ging sie zu der schon ein wenig windschiefen Scheune. Sie war gespannt, den Mann zu Gesicht zu bekommen, den sie gesucht hatte. Der Kies knirschte unter den Sohlen ihrer Pumps. Ihre Kleidung, nicht nur die Schuhe, auch ihre weiße Bluse und der elegante weiße Seidenblazer passten nicht in diese Umgebung. Sie hätte sich gern umgezogen. Aber dazu war an diesem Morgen keine Zeit mehr gewesen. Sie hatte sich beeilen müssen, um nach der Vorstandssitzung in Dallas sofort zum Flughafen zu kommen und den Flug nach San Antonio noch zu erreichen.
    Auf dem Weg zur Scheune überdachte sie noch einmal ihr Vorgehen. Sie ging an all ihre Vorhaben methodisch heran. Das hatte ihr Vater ihr schon als Kind beigebracht. Ob sie als kleines Mädchen ein bestimmtes Spielzeug oder später als großes Mädchen ihr erstes Auto hatte bekommen wollen, sie hatte ihre Strategie, um zu erreichen, was sie wollte, immer akribisch ausgearbeitet. Und das hatte sie bis jetzt beibehalten.
    Entschlossen stieß sie die Tür auf und trat in die Scheune. “Hallo?”, rief sie und blickte sich um.
    Erst einen Moment später entdeckte sie einen Mann, der am anderen Ende der Scheune in einer Pferdebox arbeitete. Als er sich jetzt umdrehte, war Grace einen Augenblick wie benommen. Sie hatte sich zwar keine bestimmte Vorstellung von dem Mann gemacht, den sie treffen wollte, aber sie hatte einen Mann mittleren Alters erwartet, mit den für Cowboys typischen O-Beinen und einem buschigen Schnurrbart, vielleicht sogar mit schon grauen Schläfen.
    Dieser hier war in fast allen Punkten das direkte Gegenteil. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig. Als er sich aufrichtete und sie mit seinen schwarzen Augen fixierte, als wolle er sie mit seinem Blick durchbohren, bemerkte sie, wie groß er war. Und sein athletischer Körper zeigte nicht ein Gramm Fett, nur feste, harte Muskeln.
    Das Erstaunlichste an diesem Mann war jedoch seine Ausstrahlung. Grace musste an einen Krieger der Apachen denken, wie er so dastand, die Heugabel neben sich aufgepflanzt, als sei sie ein Speer oder eine Lanze. Der dunkle Schatten eines Dreitagebarts lag auf seinem markanten Kinn und den hohen Wangen. Rand Sloan zog die Augenbrauen zusammen, die genauso pechschwarz waren wie sein Haar, und musterte sie von Kopf bis Fuß.
    “Kann ich Ihnen irgendwie
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