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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz
Autoren: Merciel Liane
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eine große Chance. Der Erbe von Bullenmark – der Sohn seines toten Lehnsherrn – war ihm gerade in die Arme gefallen.
    Ja, er würde das Kind behalten.
    Brys ging auf die Pferde zu. Dann blieb er stehen, weil ihm etwas eingefallen war, und drehte sich wieder zu der Frau um. Er sah die unausgesprochene Frage und die Hoffnung auf ihrem Gesicht.
    Er schüttelte den Kopf, so sanft er konnte. »Ich kann nicht. Das ist eine schlimme Verletzung. Ich kann mich nicht gleichzeitig um ein Kind und um eine Verletzte kümmern, und du brauchst mehr Heilkunst, als ich zu bieten habe. Ich kann nichts für dich tun.«
    Sie sagte nichts. Einen Moment später schloss sie die Augen und rutschte in den Dung, immer noch atmend, aber zu schwach zum Stehen. Brys spähte in den Innenhof, der nach wie vor leer war, und legte das Baby kurz auf einen Haufen sauberen Strohs. Er packte die halbtote Dienerin an den Schultern und zog sie in eine leere Box, wo sie außer Sicht wäre, falls jemand in das Stallgebäude blicken sollte.
    »Tut mir leid«, murmelte er, als er sie verließ.
    Die nächste Frage war, wie er das Baby tragen sollte. Er hatte keinen Arm übrig für Wistan, und er hatte keine Trage, mit der er sich das Kind auf den Rücken hätte schnallen können. Ein Futterbeutel aus grobem Hanf, der an einem Nagel in der Wand hing, erregte seine Aufmerksamkeit. Brys nahm ihn herunter, zog die Riemen so weit wie möglich auf und stopfte Wistan hinein. Die Riemen passten nicht über seine Schultern, daher knotete er die Enden einer geflochtenen Reitgerte an den Futtersack und benutzte stattdessen sie als Trageriemen. Er legte sich die behelfsmäßige Trage um, bettete das Baby an seine Brust und befestigte über dem Ganzen seinen Umhang, um das Kind zu verbergen und noch besser zu sichern.
    Aus der Kapelle tönten noch immer gedämpfte, schwache Rufe. Brys verspürte grimmige Erleichterung darüber. Solange noch nicht alle tot waren, wären die Mörder abgelenkt.
    Er führte die Pferde zum westlichen Tor des Dorfs und weiter zu dem Wald, der sich dahinter erstreckte. Auf der Straße lag, mit dem Gesicht nach unten, ein Toter, bekleidet mit dem ungefärbten Wollmantel eines Bauern. Ein Pfeil hatte ihn an den Boden genagelt. Der Schaft war kunstvoll gefertigt, die Befiederung farblos; ein Geschoss, so tödlich und so anonym wie die Mörder bei der Kapelle.
    Auf der anderen Seite des Weges sah er zwei weitere von Pfeilen getroffene Leichname, kleiner als der erste. Kinder waren es, ein Junge und ein Mädchen, beide mit flachsblondem Haar, also noch sehr jung. Vielleicht die Kinder des Gastwirts. Der Junge hatte einen Korb mit Getreide getragen. Glänzende Körner umrahmten seinen Leichnam wie ein zersprungener Heiligenschein.
    Auf dem Weg zum Tor kam er an weiteren Toten vorüber. Wahrscheinlich auch an einigen Lebenden, die jedoch Verstand genug hatten, sich versteckt zu halten, da sie nicht wussten, ob er Freund oder Feind war. Von den Bogenschützen war keine Spur zu sehen, obwohl ihr Werk die Straßen säumte, was Brys auf eine Weise beunruhigte, die er nicht recht zu fassen vermochte.
    Wenn die Dorfbewohner bei dem Hinterhalt geholfen hatten, warum hatten die Bogenschützen sie dann getötet? Wenn sie das Dorf niedermetzeln sollten, warum hatten sie auf halbem Wege innegehalten? Es gab nicht annähernd so viele Leichen, wie das Dorf Einwohner gehabt hatte. Die Antwort kitzelte sein Gedächtnis, wollte jedoch nicht herauskommen.
    Als er das Ende der Dorfstraße erreichte, sah er am Tor eine Traube bewaffneter Männer. Einer, der auf einem prächtigen Fuchshengst saß, trug einen Brustharnisch. Seine Rüstung war so schlicht wie die der anderen, und ein Helm mit Visier verbarg sein Gesicht, aber etwas an der Neigung seines Kopfes und an der Art, wie er auf seinem Pferd saß, kam Brys bekannt vor. Die anderen Männer waren zu Fuß, und obwohl ihre Gesichter nicht durch Helme verborgen waren, erkannte er sie nicht.
    Mehrere von ihnen trugen Bögen. Brys unterdrückte einen Fluch bei ihrem Anblick, verärgert, aber nicht überrascht. Bog enschützen konnte er nicht angreifen; und er konnte auch nicht an ihnen vorbeigelangen. Sie würden ihn töten wie einen Igel, bevor er auch nur die halbe Strecke hinter sich gebracht hätte. Sein eigener Bogen war eingepackt für die Reise und wäre auch sonst nutzlos gewesen. Er war ein Schwertkämpfer, kein Bogenschütze, und nur ein Narr könnte glauben, es mit vier oder fünf ausgebildeten
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