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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer
Autoren: Ralf Isau
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bitte nach, aber die aktuelle Zahl ist mir gerade nicht präsent. Die Buddhisten, daran dürften Sie sich noch aus Japan erinnern, glauben überhaupt nicht an einen persönlichen Gott, sondern an die Erleuchtung, die aus einem Weg der vollkommenen Rechtschaffenheit und Weisheit erwächst. Wenn damit also das göttliche Gute aus dem Menschen selbst entspringt, dann wohl auch das teuflische Böse.«
    Gandhi nahm einen Schluck heißes Wasser und wickelte sich fester in seinen großen weißen Schal. Der Monolog hatte ihn sehr angestrengt, aber der Mahatma schien an dem Thema Gefallen zu finden, denn fröhlich fügte er hinzu: »Ich hoffe, Sie halten mich nicht für eitel, mein Sohn, wenn ich Ihnen verrate, dass ich lange über die größten Plagen dieser Welt nachgedacht und schließlich sogar eine Liste der ›Sieben Weltübel‹ erstellt habe. Das sind meiner Meinung nach Wohlstand ohne Arbeit, Vergnügen ohne Gewissen, Wissen ohne Charakter, Handel ohne Moral, Wissenschaft ohne Menschlichkeit, Gottesdienst ohne Opfer und Politik ohne Grundsätze. All das, was Sie mir über Ihren so genannten Kreis der Dämmerung und dessen Wirken erzählt haben, spiegelt sich in diesen sieben Übeln wider.«
    »Ich bin nicht gekommen, um mit Ihnen über Religion zu diskutieren, Mr Gandhi. So Leid es mir tut«, antwortete David, langsam ungeduldig werdend. »Aber eines kann ich Ihnen versichern: Seit über dreißig Jahren jage ich nun schon die Mitglieder dieses Zirkels und der Geheimbund jagt mich. Bei all dem geht es nicht um ein universelles Prinzip wie das allgemeine Böse, dem wir alle unterworfen wären. Zugegeben, in den meisten Fällen hört einfach die Lebensuhr auf zu schlagen, manchmal fordern auch Zeit und Umstände ihren Tribut, aber viel zu oft ist es ein konkreter boshafter Geist, der zum buchstäblichen Täter wird. Der vielleicht schlimmste Mörder überhaupt hat mit seinen Schergen meine Eltern, meinen Großonkel, meine besten Freunde und zuletzt auch noch meine geliebte Frau umgebracht…« David geriet ins Stocken. Bei dem Gedanken an Rebekka musste er schlucken. Schließlich sagte er ruhiger, aber mit aller Eindringlichkeit, die ihm zu Gebote stand: »Es gibt diese Verschwörergruppe, Mr Gandhi, und es gibt den Jahrhundertplan. Viel zu viel von dem, was mein Vater in seinem Vermächtnis niedergeschrieben hat, ist schon Wirklichkeit geworden. Wenn Sie bedenken, mit welcher unsagbaren Grausamkeit allein in Ihrem Land Männer, Frauen, selbst kleine Kinder niedergemetzelt wurden und werden, sogar jetzt noch, nach einem halben Jahr der Unabhängigkeit, dann können Sie Ihre Augen doch vor dieser Wahrheit nicht verschließen.«
    Der Mahatma sah David durch seine runde Nickelbrille lange nachdenklich an, bevor er leise sagte: »Ich höre da viel Bitterkeit aus Ihren Worten sprechen, junger Freund.«
    David schlug die Augen nieder. »Das will ich nicht abstreiten. Könnten Sie an meiner Seele lecken, Sie würden sich zweifellos vergiften.«
    »Bitte, glauben Sie mir, ich fühle mit Ihnen. Auch ich liebe meine Angehörigen. Mit Kasturba wurde ich schon im zarten Alter von dreizehn verheiratet, aber bis sie mir vor vier Jahren vorausging, war unser Verhältnis gewiss inniger als manche der leidenschaftlichen, aber doch so kurzen Beziehungen, die neuerdings in Europa und Amerika in Mode zu kommen scheinen.«
    »Ich habe Rebekka leidenschaftlich und innig geliebt. Nein, ich tue es immer noch.«
    »Dessen bin ich mir sicher«, erwiderte Gandhi und legte David, der wie der Mahatma auf einer Matte am Boden saß, die Hand auf den Arm. »Woran, glauben Sie denn, könnte man ein Mitglied dieses ominösen Geheimbundes erkennen?«
    David versteifte sich. Hatte er sich verhört? Beim Gedanken an Rebekka war sein Blick betrübt zu Boden geglitten, aber jetzt sah er überrascht auf. »Der Mann, den ich suche, spielt höchstwahrscheinlich eine bedeutende Rolle in dem Konflikt, der Ihr Land in den letzten Monaten erschüttert hat. Trotz seiner Schlüsselstellung schaltet und waltet er eher aus dem Hintergrund heraus. Nur in einem Fall hat bisher ein Mitglied des Kreises der Dämmerung eine exponierte Position in der Politik eingenommen. Ein anderer Vertreter der Gruppe war der Kopf einer Geheimgesellschaft, zu deren Spezialitäten Attentate auf bedeutende Persönlichkeiten gehörten. Das entspricht auch mehr der Strategie von Belials Bruderschaft: destabilisieren, Unruhe schaffen…«
    »Die Folgen dieser Taktik sehe ich überall in meinem
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