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Der Knochenmönch

Der Knochenmönch

Titel: Der Knochenmönch
Autoren: Jason Dark
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lauern, dort fand er die Gefahr, dort…
    Er blieb stehen.
    Sein Gedankengang war unterbrochen worden. Er hatte seinen Blick nach vorn gerichtet, und der war auf einer bestimmten Stelle des Steinbodens haften geblieben.
    Dort, direkt am Zugang einer Bankreihe, zeichnete sich etwas ab. Es war ein großer, dunkler Fleck, schon eine Pfütze, eine schwarze Flüssigkeit, die aus der Bank hervor auf den Boden geflossen war und sich dort verteilt hatte.
    In unmittelbarer Nähe dieses Flecks war auch das Geräusch aufgeklungen.
    Horace F. Sinclair befürchtete Schlimmes. Er wollte nicht über gewisse Dinge nachdenken, die eigentlich auf der Hand lagen. Er wich der Lache aus und schaute in die Bankreihe hinein.
    Auf der Sitzfläche lag die Gestalt.
    Sie sah aus, als hätte sie sich zum Schlafen dort hingelegt. Es war ein Mann.
    Er trug einen Mantel, der nicht zugeknöpft war. Die eine Hälfte hing über den Rand der Sitzfläche hinweg und berührte den Boden.
    Horace F. Sinclair atmete schneller. Schmerzen zuckten wie Stiche durch seinen Kopf. Blutgeruch dampfte ihm entgegen. Er wußte, wer da lag, aber er wollte es genau wissen.
    Aus dem Mantel holte er eine dünne Taschenlampe.
    Als er sie anknipste, zitterte das Licht, und es zitterte weiter, als es über die liegende Gestalt hinwegglitt. Das Gesicht war so bleich.
    Ein Mund, der offenstand, der schmerzverzerrt war. Augen wie gläserne Objekte. Und dann die Wunden am Körper des Mannes! Als hätte jemand mit einem Messer auf dem Mann herumgehackt.
    William Cartland hätte tot sein müssen.
    Er war es nicht, er lebte, denn Horace F. Sinclair hörte sein leises Stöhnen…
    ***
    Leben? Konnte jemand mit derartigen Verletzungen noch leben? Sinclair wollte es nicht glauben. Es war unwahrscheinlich, da brauchte er nur an den Blutverlut zu denken, den sein Freund Cartland erlitten hatte. Das Blut hatte sich überall verteilt und war nur zum Teil in die Kleidung gesickert. Er spürte es, als er sich in die Bank hineinschob und mit der rechten Hand das Holz anfaßte. Es war glatt und glitschig.
    Darauf achtete Sinclair nicht, denn er hatte gesehen, daß Cartland die Augen bewegte. Ein Zwinkern nur, aber gut erkennbar, weil die Pupillen Restlicht reflektierten.
    Tote bewegten sich nicht.
    »Will«, keuchte Sinclair, »mein Gott, Will, was haben sie mit dir gemacht?« Es war dem alten Herrn gelungen, neben der Sitzbank in die Knie zu gehen. Sein Kopf befand sich nahe am Gesicht des Schwerverletzten.
    Wieder bewegte Cartland die Augen. Auch seine Lippen zuckten. Er wollte reden, und Sinclair hoffte, daß Will ihn erkannte. »Bitte, ich hole Hilfe, du wirst…«
    »Nein, Horace, nein…«
    »Aber du bist…«
    »Ich stehe vor dem letzten Schritt, Horace, vor dem allerletzten, glaub es mir.« Seine Worte waren schwer zu verstehen. Das Sprechen strengte ihn ungeheuer an. »Ich habe – ich – habe für meine Sünden gebüßt, aber der Allmächtige hat mir noch die Kraft gegeben, mich länger leben zu lassen. Er läßt mich leiden, er hat recht damit. Die Schmerzen sind gnadenlos. Sie sind wie ein Raubtier, das immer mehr von meinem Körper frißt. Aber jetzt bist du da, und das ist gut. Du mußt achtgeben, denn ich – ich muß dir was sagen.«
    »Das kannst du doch später tun, wenn ich…«
    »Für mich gibt es kein Später mehr, Horace. Es ist vorbei mit mir. Ich bin dankbar, daß ich noch lebe.«
    »Okay, William. Sag, was du sagen willst.«
    Cartland legte eine Pause ein. Er mußte seine letzten Kräfte sammeln.
    Dabei bewegte er sich, und Sinclair hörte erneut das Schaben. Es entstand, weil die Füße des Mannes über die Bank schleiften, als wollte sich der Sterbende abstemmen. »Ich habe gebüßt. Ich habe so schrecklich gebüßt. Wir waren zu dritt, wir wollten am Rad der Zeit drehen. Die Verschwörung galt ihm…«
    »Welche Verschwörung?«
    »Wir wollten alles ändern.«
    »Wer seid ihr denn gewesen?«
    »Er soll sterben, ein anderer soll auf den Thron.«
    »Wer?«
    »Alberti und Wallraven.«
    »Bitte?«
    Auf dem Gesicht des Schwerverletzten lag jetzt ein dichter Schweißfilm.
    »Du mußt sie stoppen.«
    »Ich kenne sie nicht.«
    »Finde sie.« Cartland ächzte. »Ich – ich – hätte dir gern noch viel gesagt, aber es ist zu spät. Wir haben es versucht. Ich konnte es nicht mitmachen. Ich habe versucht, auszusteigen, als ich ihn sah. Er lebt noch, es gibt ihn, Horace. Es gibt ihn tatsächlich. Er existiert, dabei hätte er tot sein müssen, längst zu Staub zerfallen,
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