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Der Knochenmönch

Der Knochenmönch

Titel: Der Knochenmönch
Autoren: Jason Dark
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Haustür auf.
    Niemand stand vor dem Haus.
    Keine Gestalt, die ihren Arm ausgestreckt hatte, um ihn in die Klinge eines Messers rennen zu lassen. Der Schatten hinter der Scheibe schien nur ein Trugbild gewesen zu sein, die Einbildung seiner gestreßten und überreizten Psyche.
    Horace F. Sinclair atmete auf. Der bittere Geschmack verschwand aus seinem Mund, und allmählich klärte sich auch seine Sicht, denn er hatte die Umgebung wie durch einen Nebel gesehen.
    Sinclair strich sein graues Haar zurück. Wäre er jung gewesen, hätte er schon mit langen Schritten die Entfernung zu diesem Fahrzeug hinter sich gebracht, in seinem Alter brauchte er eine gewisse Reaktionszeit, um sich neu zu orientieren.
    Schnaufend atmete er durch die Nase aus. Auch das Zittern in seinen Knien verschwand. Früher, als er noch voll im Berufsleben gestanden hatte, war ihm das nicht passiert, heute mußte er achtgeben, daß er sich nicht überschätzte.
    Nichts wies darauf hin, daß ihm jemand etwas tun würde. Den Schlüssel hielt er mit seinem Ende nach oben in der rechten Hand. Sein Ziel war die Fahrertür.
    Fast wäre er gegen den Kleinwagen gefallen, so erleichtert fühlte er sich plötzlich. Zweimal rutschte der Schlüssel neben dem Schloß ab und hinterließ eine Schramme im Lack, dann endlich fand er das Loch. Aber Sinclair brauchte den Schlüssel erst gar nicht zu drehen, die Fahrertür war offen, nur hatte er dies in seiner großen Hektik nicht bemerkt.
    Horace F. Sinclair fiel auf den Sitz, er schob den Schlüssel ins Zündschloß, dann zerrte er die Tür zu und stellte fest, daß sie nicht schloß. Sein offenstehender Mantel war zur Seite gerutscht und hatte sich im Türspalt verfangen. Er öffnete die Tür erneut, zerrte den Mantel wieder hervor. Endlich konnte er starten.
    Der Anlasser orgelte, als er den Schlüssel gedreht hatte.
    »Komm doch, komm doch…«
    Sinclair versuchte es erneut. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er lag fast über dem Lenkrad und umfaßte es mit der rechten, schweißfeuchten Hand.
    Der Motor sprang an.
    Sinclair lachte auf.
    Er startete noch nicht, warf zuvor einen Blick in beide Spiegel, innen und außen, und sein Mund öffnete sich, als wollte er schreien, denn im rechten Außenspiegel hatte er die Gestalt gesehen, die wie ein Schatten hinter der Hausrückseite hergehuscht war. Er konnte sie nicht genau erkennen, aber sie sah aus wie ein unheimlicher Todesbote, vielleicht ein Mönch in seiner Kutte, der durch das Geräusch des anspringenden Motors gewarnt worden war.
    Nein, kein Mönch – ein Killer, ein zweifacher Mörder, der es nun auf ihn abgesehen hatte, denn er rannte auf den Wagen zu. Das tat er mit sehr langen Schritten, und bei jedem Sprung wehte die Kutte von unten her in die Höhe.
    Kuppeln, schalten – Gas!
    Zuviel, denn der Corsa tat einen leichten Sprung. Der Motor heulte auf.
    Aber der Corsa fuhr.
    In den zweiten Gang, dann hoch in den dritten. Sinclair dachte nur daran, dem Killer zu entkommen. Er fuhr eigentlich viel zu schnell für den schmalen Weg.
    An der rechten Seite kratzten die Zweige der Hecke wie vereiste Finger über das Blech.
    Der Anwalt im Ruhestand kannte keinen zweiten Weg. Deshalb mußte er gewissermaßen die Strecke fahren, die der Taxifahrer auf der Herfahrt genommen hatte. Er rollte über den Friedhof, wobei die Reifen tiefe Furchen im weichen Erdreich hinterließen.
    Vorbei an den Gräbern, vorbei an den Steinen und Kreuzen, nach rechts halten, dem Ausgang entgegen.
    Der Blick in die Spiegel.
    Schnell, knapp nur.
    Der Killer war nicht zu sehen. Mochte er auch noch so schnell gelaufen sein, den Fluchtwagen hatte er nicht mehr einholen können, und den lenkte Horace F. Sinclair nur auf den Eingang des Kirchplatzes zu, einem Tor aus zwei Flügeln, das offenstand.
    Dahinter begann der offizielle Weg, der später nach einigen Kurven in eine asphaltierte Landstraße mündete.
    Sinclair entspannte sich wieder, als der erste heiße Schreck vorbei war.
    Er hatte sich nicht geirrt. Der Killer war noch am Tatort gewesen. Es mußte ein Mensch ohne Nerven sein, ein eiskalter Hund. Wirklich ein normaler Mensch?
    Daran wollte der alte Hen nicht so recht glauben. Durch seinen Sohn wußte er, daß es viele Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die nicht zu erklären waren. Auch er war schon in manchen Fall hineingerutscht, der ihn dicht bis an den Tod herangebracht hatte, deshalb auch diese ungewöhnlichen Gedanken.
    Er fuhr weiter.
    Der Weg war kurvig. Rechts und links
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