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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Büchle
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Kommando endete das Schreibmaschinengeklapper und mehrere neugierige Augenpaare musterten die Irin.
    Richard wollte die Verwandte seines Arbeitgebers gerade vorstellen, als diese auch schon forsch auf Frau Meisner zuging, ihre Hand über den breiten, mit Papieren vollgehäuften Schreibtisch hinwegstreckte und sich vorstellte: „Einen schönen guten Tag, ich bin Norah Casey. Vermutlich ist mein Besuch schon angekündigt worden.“
    Sie wandte sich blitzschnell zu einer der jüngeren Frauen um und begrüßte auch diese mit Handschlag. „Eine von Ihnen hat vermutlich den Antwortbrief an mich geschrieben, nicht wahr?“
    „Das war ich“, bestätigte die Frau direkt vor ihr. „Mein Name ist Martha Schleicher.“
    „Hallo, Fräulein Schleicher. Wie schön, Sie persönlich kennenzulernen.“
    Norah war schon bei der nächsten jungen Frau angelangt und entlockte auch dieser ihren Namen. „Meine Güte, Fräulein Leible! Was für wunderschöne Augen Sie haben. Blau wie der Ozean!“
    „Oh, wirklich?“ Jutta Leible errötete.
    Richard trat neugierig geworden näher. So genau wie Norah hatte er sich die Damen in diesem Raum noch nie angesehen. Aber die Irin hatte recht: Unter den dunkelbraunen Haaren, die sich in die Stirn der jungen Frau kringelten, leuchtete das intensive Blau ihrer Augen deutlich hervor.
    Wieder erschienen auf Norahs Wangen diese tiefen Grübchen, ehe sie sich zu Fräulein Leible hinunterbeugte und ihr etwas zuraunte. Deren Gesichtsfarbe wurde eine Nuance dunkler, doch als sie den Raum verließen, lag ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
    Richard, der annahm, dass seine Führung nun beendet war, atmete auf; doch er hatte sich zu früh gefreut.
    „Fein“, sagte Norah. „Jetzt würde ich gern noch die von Ihnen erwähnte Sammlung der Lochrollen sehen. Wo geht es entlang?“ Ohne eine Antwort abzuwarten marschierte Norah voraus, als wüsste sie genau, in welche Richtung sie gehen musste.
    Richard sah ihr halb fassungslos, halb fasziniert nach. Niemals zuvor hatte er einen Menschen kennengelernt, der so viel Energie ausstrahlte wie dieses zierliche Mädchen. Unaufhörlich war sie in Bewegung, sprach schnell, wobei sie ihre Worte nicht nur mit den Händen, sondern förmlich mit dem ganzen Körper zu unterstützen schien, und war in der Lage, innerhalb von Sekundenbruchteilen Entscheidungen zu treffen und sich auf neue Personen und Gegebenheiten einzustellen.
    Gegen sie kam sich Richard, der gern alles genau beobachtete und gut durchdachte, bevor er eine Entscheidung traf, wie eine lahme Schnecke neben einem flink agierenden Eichhörnchen vor. Sie schien selbst an die Menschen, mit denen sie sich unterhielt, eine gehörige Portion ihrer Energie abzugeben, denn diese wirkten nach einer Begegnung mit der Irin auf seltsame Weise beschwingt und zufrieden.
    Nur bei ihm blieb diese Wirkung aus. Er empfand das Mädchen als außergewöhnlich anstrengend und den Umgang mit ihr als kräfteraubend. Womöglich lag dies daran, dass sie beide vom Wesen her wohl kaum unterschiedlicher hätten sein können.
    Richard folgte ihr halb rennend und überholte sie unter einigen Mühen, damit er ihr die Türen aufhalten konnte, wie es sich gehörte. Letztendlich erreichten sie den klimatisierten Raum, in dem sich einige der Klaviere und die bereits bespielten Klavierrollen befanden.
    „Haben Sie die Pianisten kennengelernt, die diese Rollen bespielt haben? Können wir etwas hören? Oh, und zeigen Sie mir doch bitte mal am Instrument, wie das genau funktioniert!“
    Richard nickte ergeben. „Wir haben hier Stücke, die von Carl Reinecke, Teodor Leszetycki, Ignacy Jan Paderewski und Ferruccio Busoni bespielt wurden. Es waren auch einige Pianisten zur Aufnahme hier, die ihre eigenen Werke spielten, so zum Beispiel Claude Debussy, Max Reger, Edvard Grieg oder Gustav Mahler, um nur einige zu nennen.“
    „Haben Sie diese Leute wirklich getroffen?“
    „Die Musiker, die hier in Freiburg die Rollen bespielten, habe ich persönlich kennengelernt, Fräulein Casey. Zwischen 1905 und 1909 gab es ein zweites Aufnahmestudio in Leipzig. Dort war ich selbstverständlich nicht vor Ort.“
    „Interessant! Und wie geht das nun?“, drängte das Mädchen und trat nahe an eines der Klaviere.
    „Nach der Aufnahme auf die sogenannte T 100, einen 329 Millimeter breiten Lochstreifen mit 100 Steuerungslöchern, können die Stücke originalgetreu, also mit der entsprechenden Anschlagsdynamik des Pianisten, unendlich oft wiedergegeben
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