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Der Kammerjäger

Der Kammerjäger

Titel: Der Kammerjäger
Autoren: Bill Fitzhugh
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haben, wieso diese Menschen vierreihig aufgereiht standen, um diesem korrupten Verrückten zuzujubeln. Die Antwort ist einfach: Sie waren hier, weil - obwohl sie, bei Gott, diesen Tyrannen verabscheuten - er ihr Tyrann war und so ziemlich das einzige, was sie ihr eigen nennen konnten.
    Das und weil kostenlos Falafel verteilt wurde.
    Aber all dem war ein abruptes Ende bestimmt, denn Namidii, träge winkend, saß nicht nur behaglich und vollgefressen im Fond des glänzenden schwarzen Lincoln-Continental-Kabrios, sondern auch mitten in Klaus' Fadenkreuz.
    Für Klaus bestand keinerlei Zweifel, daß dieser geldgierige Psychopath den Tod verdient hatte. Und das war sein einziges Kriterium - daß er fand, jemand habe den Tod verdient.
    Sein Finger spannte sich um den Abzug, wartete auf den idealen Moment. Der rote Punkt des Laserfernrohrs fand eine Heimstatt auf Namidiis Ohr. Und dann, getarnt von dem Lärm der jubelnden Menge, wurde das Gewehr abgefeuert, und die Herrschaft des Tyrannen endete in Blut und Verwirrung.
    Wahrend er auf dem Union-Street-Bahnsteig wartete, wechselte Bobs Stimmung zwischen Euphorie und Grauen. Einerseits verspürte er ein überschwengliches Hochgefühl, seit er beschlossen hatte, seinen Traum endlich wahr zu machen, oder - genauer gesagt - seit er seiner Entscheidung Taten hatte folgen lassen. Gleichzeitig machte er sich Sorgen darüber, wie Mary die Nachricht aufnehmen würde, vor allem angesichts ihrer finanziellen Situation.
    Der verschmutzte silberne Zug kam in den Bahnhof hereingezockelt, warf seine Türen wie ein riesiger sabbernder Idiot auf und schüttete zerkaute New Yorker über den Bahnsteig. Bob stieg ein und ließ sich auf einen freien Platz im Vorderteil des Wagens fallen.
    Er warf einen Blick nach oben auf die verschiedenen Reklametafeln, die sich stets an die weniger glücklichen Bewohner der Stadt zu richten schienen. Die Werbung für eine Multikulturelle Klinik zur Reparatur von gerissenen Ohrläppchen erregte seine Aufmerksamkeit. Aber gerade als sich in seiner Vorstellung ein düsteres Bild von deren Warteraum bilden wollte, raste der Zug in die vor ihm liegende Dunkelheit und zerrte Bobs Gedanken wieder zurück zu seinem aktuellen Dilemma.
    Mary hatte vor kurzem ihren Job als leitende Sachbearbeiterin für Darlehensanträge verloren, nachdem die Sparkasse, wo sie drei Jahre lang gearbeitet hatte, mit dem Bauch nach oben am verseuchten Ufer des Hudson River gefunden worden war. Bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage war sie gezwungen gewesen, als Bedienung in einem Coffee Shop zu arbeiten, und hatte deswegen, vielleicht verständlicherweise, nicht immer gute Laune. Daß sie mit der Miete im Rückstand waren und auch mit den Strom- und Gasrechnungen, machte es kaum besser. Angesichts all dessen würde Bob jede Minute seiner langen Zugfahrt nach Hause brauchen, um herauszukriegen, wie er Mary dazu bringen könnte, einzusehen, daß das Timing für seine Arbeitsplatzveränderung geradezu perfekt war.
    In Court Street strömten Umsteiger von den Linien 3, 5 und M in den Wagen für die Fahrt nach Manhattan. In der Menge waren fünf identische dunkle Anzüge, offensichtlich unterwegs zu einem vergnügungsvollen Nachmittag von Arbitrage und Selbstaktualisierung in den fröhlichen Straßen des Finanzviertels.
    Dann war da die junge Frau, die sich Bob genau gegenüber setzte und ihre durchstochene Nase in ein Biologie-Lehrbuch steckte. Er nahm an, sie war auf dem Weg zur Uni. Bis auf die durchstochene Nase, die Tätowierung und die kecken Brüste erinnerte die Studentin Bob an seine Zeit am Brooklyn College, wo er Mary kennengelernt hatte.
    Damals studierte Bob im Hauptfach Entomologie und versuchte immer noch, eine Frisur zu finden, die bei ihm funktionierte. Mary studierte Betriebswirtschaft, mit einem hoffnungsfrohen Blick auf eine Karriere in der Finanzwelt. Lange rotbraune Haare umrahmten das rundwangige Gesicht der ehemaligen High-School-Cheerleaderin.
    An dem Tag, als sie sich kennenlernten, hatte Bob eine Vorlesung von Bernice Lifton über die Geschichte der Pestizide besucht. So wie Mrs. Lifton es darstellte, begann die moderne Verwendung von Pestiziden im Jahr 1867, als man mit einer Mischung aus Kupfer und Arsen versuchte, die Zerstörung der amerikanischen Kartoffelernte durch den Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) zu stoppen.
    Bob hing ihr an den Lippen, als Mrs. Lifton mit nicht geringem Ausdruck des Grauens bemerkte, daß bereits 1912 Wissenschaftler
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