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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes
Autoren: Tatjana Stepanowa
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unverbrüchlich füreinander einzustehen. Diese außergewöhnliche Art und Weise, freundschaftliche Beziehungen herzustellen, war in letzter Zeit beliebt geworden. Nicht nur die Kriminellen verbrüderten sich miteinander, sondern auch durchaus solide, respektable Leute: Parteifunktionäre, Geschäftsleute, Showstars und alle diejenigen, die auf Grund übler Erfahrungen einem schlichten Manneswort nicht mehr trauten, sondern Schwüre und allerlei mystischen Klimbim verlangten.
    Nachdem Kolossow Rasdolsk verlassen hatte, setzte er sich über Funk mit seinem Vorgesetzten in Verbindung, schilderte kurz die Situation und bekam grünes Licht für eine unverzügliche »Bearbeitung« Karpows. Wenn überhaupt jemand eine Antwort auf die Frage geben konnte, wo man Grant in den ersten Tagen nach dem Mord suchen musste, war es sein Blutsbruder, da war Kolossow sicher.
    Um die nötigen Informationen aus dem Hai herauszuholen, war er schon seit längerem präpariert worden. Seit rund vierundzwanzig Stunden befand er sich im Zwangsentzug. Zwei Ermittler aus Kolossows Abteilung, die im Untersuchungsgefängnis Dienst hatten, spähten von Zeit zu Zeit durch den Spion in der Zellentür des Hais und warteten auf das Zeichen ihres Chefs. Als Kolossow sie anrief, wurden sie aktiv.
    Man beschloss, den Hai an der frischen Luft, ohne überflüssige Augen – und Ohrenzeugen, in die Mangel zu nehmen. Ihm wurde eröffnet, man müsse ihn aufs Revier bringen, um gewisse Formalitäten der Ermittlung zu regeln, die vom Gesetz über den Besitz von Drogen vorgeschrieben waren. Doch auf der Jaroslawler Chaussee wurde der Geländewagen der Miliz, in dem sich der mit Handschellen gefesselte Karpow befand, vom weißen Shiguli des Chefs der Mordkommission eingeholt.
    Kolossow und Chalilow stiegen aus und gingen auf den Geländewagen zu. Als Chalilow das bleiche, von dicken Schweißtropfen bedeckte Gesicht des Hais sah, seine zitternden Hände, die seltsame Mattigkeit und Trägheit der Bewegungen, die sofort den Drogenabhängigen verrieten, flüsterte er Kolossow zu: »Glasige Augen. Mit dem braucht man nicht viel Umstände zu machen.«
    »Nicht viel Umstände« bedeutete: dem Hai direkt die Droge im Tausch gegen Informationen über Grant anzubieten. Kolossow seufzte tief. Das war ein klarer Gesetzesverstoß. Er kannte mehrere Kollegen, die wegen solcher Tricks in hohem Bogen aus dem Dienst geflogen waren. Im Grunde hasste Kolossow derartige »Arbeitsmethoden« und hielt sie für schmutzig und seines Berufs nicht würdig. Aber leider fehlte die Zeit für raffiniertere Schachzüge – zum Beispiel, einen erfahrenen Spitzel auf den Hai anzusetzen und ihn in der Zelle auszuhorchen. Grant musste sofort gefunden werden. Kolossow war sicher: Wenn der Killer überhaupt angreifbar war, dann nur in den ersten Stunden nach der Ausführung seines Auftrags, solange er überzeugt war, seine Aufgabe sauber und ordentlich gelöst zu haben, und sich völlig sicher fühlte, verborgen in einem geheimen, im Voraus vorbereiteten Versteck.
    Den Chef der Mordkommission kannte der Hai bereits. Chalilow jedoch blickte er verschreckt und fragend an.
    »Na, spielt das Herz verrückt, Anton?«, erkundigte Chalilow sich mitfühlend.
    Karpow senkte den Blick. Offenbar überlegte er fieberhaft, warum man ihn an diesen verschwiegenen Ort gebracht hatte – in diese kleine, mit Sträuchern bewachsene Schlucht am Rand der Chaussee. Ein gutgläubiger Trottel war er keineswegs.
    »Ich habe dich nach deiner Gesundheit gefragt«, erinnerte ihn Chalilow.
    »Siehst du das nicht selbst? Siehst du es nicht? Ihr lasst mich weder krepieren noch leben!« Karpows Stimme zitterte.
    »Dein schlechter Zustand könnte sich rasch bessern«, sagte Kolossow. Karpow starrte ihn durchdringend an. Ja, der clevere Hai erriet sofort, was ihm die beiden jetzt vorschlagen würden. Er wusste nur noch nicht, worum es bei dem Handel ging.
    »Wenn du nicht willst, sag es gleich, dann gibt es eben kein Gespräch.« Chalilow grinste. »Überleg’s dir gut.«
    Der Hai schluckte.
    »Seid doch keine Unmenschen . . . Macht euch nicht lustig über mich. Ich kann nicht mehr. Mir ist schlecht.«
    »Es ist deine Entscheidung.« Chalilow zuckte mit den Schultern. Dann blickte er Kolossow an. Dem fiel ihr Gespräch vorher im Auto ein. »Von mir aus können sie alle an der Nadel hängen«, hatte Renat erbarmungslos erklärt. »Umso leichter ist es für uns, sie weich zu klopfen. Wir werden ja sehen, was für den Hai wertvoller
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