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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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daß der schöne Tag in ihm nur noch mehr Lust am Verhöhnen geweckt hatte.«Oho, der Herr des Schreibens setzt sich
     zu uns. Habt Ihr wieder einmal Krieg mit der Feder geführt, während Ihr uns den Frieden predigt?«
    Stumm tauchte der Schreiber seinen Holzlöffel in den Getreidebrei.
    »He, ich rede mit dir!«
    Biterolf seufzte. »Warum mußt du immer wieder die alten Fragen aufbringen, Thomas? Ich hab jetzt keine Lust zu streiten.«
    »Wir wissen doch, Streit ist dir zuwider«, spottete nun Ato, der jüngste Sohn eines adligen Langobarden. Er war zu einer geistlichen
     Laufbahn gezwungen worden, damit das Erbe nicht aufgeteilt werden mußte. »Wenn es nach dir geht, werfen wir alle Waffen in
     eine Grube und schütten sie zu, nicht wahr? Aber was würdest du sagen, wenn am Remigiustag kein Rehbraten auf dem Tisch steht
     –«, er drehte sich im Halbkreis, damit alle es hören konnten, »von meiner Hand erlegt? Auch dazu braucht man Waffen, du Schlaukopf.«
    Biterolf aß mit gebeugtem Rücken. »Das ist etwas anderes.«
    »Etwas anderes. Ach so!« Der Kellermeister stützte seine Pranken auf dem Tisch ab. »Und wenn sich ein Sarazene mit seinem
     Krummsäbel auf dich stürzt, was tust du dann? Läßt du dir wie ein blödes Schaf den Kopf abschlagen?« Er deutete mit dem Handrücken
     einen Schwerthieb an.
    »Wenn es Gottes Wille ist, daß ich sterbe, dann sterbe ich.«
    »Komm mir nicht mit dem Herrn, Biterolf«, fuhr Ato auf. »Hat nicht der Herrgott das Volk der Israeliten immer wieder gegen
     die Heiden in den Krieg geschickt?«
    »Beruhigt euch!« rief eine Stimme vom hinteren Teil des Tisches. Ato und Thomas setzten sich.
    »Simon Petrus schlug dem Knecht des Hohepriesters im Garten Gethsemane das Ohr ab«, murmelte Biterolf. »Hat ihn Christus dafür
     gelobt?«
    |25| »Ein Beispiel gegen viele.« Thomas wandte sich Ato zu: »Sag mal, schmeckt dir der Gerstenbrei heute auch so merkwürdig? Die
     Gerste ist in Ordnung, aber die Kräuter! Könnte es sein, daß Biterolfs Köter in den Kräutergarten gepinkelt hat?«
    Ato lachte schallend. »Farro, dieses Mistvieh, hat die Bibel verstanden. Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
    Ein tiefes Knurren ließ die Dienstleute erschrocken aufblicken.
    »Aus, Farro, es ist gut«, sagte Biterolf leise.
    »Dein Rüde versteht die Dinge anders als du, siehst du?« Während er seine breiten Schultern ein Stück von Biterolfs Platz
     wegbewegte, versuchte der Kellermeister, einen Blick unter den Tisch zu werfen. »Ganz lieb, mein Hundebiest, ganz lieb … Wir
     sind auf deiner Seite.«
    Biterolf nahm seine Schüssel und stellte sie auf den Boden. Es dauerte eine Weile, ehe Farro sich beruhigt hatte und seine
     Schnauze wie beiläufig zu dem Getreidebrei reckte, um ihn aus dem Holznapf zu lecken.
    Ato deutete mit dem Löffel auf Biterolf. Er machte ein übertrieben ernstes Gesicht. »Wo du dich doch so gut in der Heiligen
     Schrift auskennst, warum wirst du nicht unser neuer Bischof? Soweit ich weiß, ist noch kein Nachfolger bestimmt.«
    »Ja«, fiel Thomas mit gespielter Begeisterung ein, »du machst doch sowieso seit vielen Jahren den überaus wichtigen Schriftverkehr,
     da fehlt dir nicht mehr viel!«
    »Der Kaiser hat den neuen Bischof schon auf den Weg geschickt«, sagte Biterolf trocken. Sofort war es totenstill im Speisesaal.
     Die Essenden am Ende der Tafel beugten sich vor, um kein Wort zu verpassen. Biterolf, der seinen Blick gesenkt hielt, wußte
     genau, daß alle Augen auf ihn gerichtet waren. Ja, man hielt seinen Posten für langweilig, prahlte mit Jagderfolgen oder Trinkgelagen.
     Daß er Jahr für Jahr mit Präzision geheime Urkunden ausgestellt hatte, den Briefverkehr des Bischofs in- und auswendig kannte |26| und auch jetzt als erster über die Neuerungen Bescheid wußte, das wurde gern übersehen. Statt dessen dieser ewige Streit über
     das Töten, wo doch der Wille Gottes eindeutig war!
    »Sein Name ist Claudius. Er war bis vor kurzem Lehrer der Hofgeistlichkeit bei Kaiser Ludwig. Es heißt, daß er ein Schüler
     Leidrads von Lyon ist. Und er soll mit unserem Kaiser seit dessen Kindheit befreundet sein. Hat ihn wohl schon in Aquitanien
     kennengelernt.«
    »Ein Günstling also«, stöhnte Thomas, »ein Weichkopf, der sich bei der ersten Begegnung mit den Sarazenen in die Hosen machen
     wird.«
    »Sprich nicht so von unserem künftigen Bischof!« Kanzler Eike stand am Ende der Tafel auf und zog die grauen Augenbrauen zusammen.
     Seine Glatze warf Falten, als er
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