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Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)

Titel: Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)
Autoren: John Boyne
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ja, wenn wir für den Rest des Tages hierbleiben und zu Abend essen und noch übernachten müssen, weil wir alle zu müde sind, dann geht das in Ordnung, aber morgen sollten wir früh aufstehen, damit wir bis zum Nachmittagskaffee wieder in Berlin sind.«
    Mutter seufzte. »Bruno, wieso gehst du nicht einfach nach oben und hilfst Maria beim Auspacken?«, fragte sie.
    »Aber wozu auspacken, wenn wir doch nur ...«
    »Bruno, tu es einfach, bitte!«, sagte sie wütend, denn sie durfte ihm anscheinend ins Wort fallen, nur umgekehrt funktionierte es nicht. »Wir sind hier. Wir sind angekommen. Für die absehbare Zukunft ist das unser Zuhause, und wir müssen das Beste daraus machen. Hast du mich verstanden?«
    Er wusste nicht, was absehbare Zukunft bedeutete, und fragte sie.
    »Das heißt, dass wir jetzt hier wohnen, Bruno«, sagte Mutter. »Und damit Schluss.«
    Bruno spürte einen Schmerz im Bauch und merkte, wie etwas in ihm wuchs, das ihn, wenn es aus seinem tiefsten Inneren nach oben in die Außenwelt drang, entweder in Tränen ausbrechen oder schreien und brüllen lassen würde, wie falsch und ungerecht die ganze Sache war, ein großer Fehler, den schon bald jemand würde bezahlen müssen. Er konnte nicht begreifen, wie es zu alldem gekommen war. An einem Tag war er völlig zufrieden, spielte zu Hause, hatte drei gute Freunde, rutschte Treppengeländer hinunter und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ganz Berlin zu überblicken, und jetzt saß er hier in diesem kalten, hässlichen Haus fest, mit drei flüsternden Dienstmädchen und einem Kellner, der unglücklich und wütend war, einem Haus, in dem alle den Eindruck machten, dass sie nie wieder fröhlich sein konnten.
    »Bruno, ich möchte, dass du nach oben gehst und auspackst, und zwar sofort«, sagte Mutter ziemlich unfreundlich, und da er merkte, dass es ihr ernst war, drehte er sich um und marschierte ohne ein weiteres Wort davon. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen, war jedoch entschlossen, sie nicht zu zeigen.
    Er ging nach oben und drehte sich langsam einmal im Kreis herum, in der Hoffnung, er könnte eine kleine Tür finden oder ein Kämmerchen, wo er irgendwann ein bisschen forschen könnte, doch da war nichts. Auf seinem Stockwerk gab es nur vier Türen, zwei auf jeder Seite, die einander gegenüberlagen. Eine Tür führte in sein Zimmer, eine Tür in Gretels, eine in das seiner Eltern und eine ins Bad.
    »Das ist kein Zuhause und wird es nie sein«, flüsterte er vor sich hin, als er durch die Tür in sein Zimmer trat, wo seine Sachen auf dem Bett verstreut lagen und die Schachteln mit den Spielsachen und Büchern noch gar nicht ausgepackt waren. Es war unübersehbar, dass Maria die falschen Schwerpunkte setzte.
    »Mutter schickt mich, um dir zu helfen«, sagte er ruhig. Maria nickte und wies auf eine große Tasche, die seine gesamte Unterwäsche und Socken enthielt.
    »Du könntest die Sachen sortieren und in die Kommode dort drüben packen«, sagte sie und zeigte auf einen hässlichen Kasten, der auf der anderen Zimmerseite neben einem verstaubten Spiegel stand.
    Bruno seufzte und öffnete die Tasche; sie war bis zum Rand mit seiner Unterwäsche gefüllt, und am liebsten wäre er hineingekrochen und hätte sich gewünscht, beim Herausklettern würde er aufwachen und wieder in Berlin sein.
    »Was hältst du von dem Ganzen, Maria?«, fragte er nach einem langen Schweigen, denn er hatte Maria immer gemocht und als Angehörige der Familie betrachtet, auch wenn Vater sagte, sie sei nur ein Dienstmädchen und überbezahlt obendrein.
    »Von welchem Ganzen?«, fragte sie.
    »Dem hier«, sagte er, als wäre es das Offensichtlichste der Welt. »Dass wir an so einen Ort ziehen. Meinst du nicht, das war ein Riesenfehler?«
    »Das habe ich nicht zu entscheiden, Bruno«, sagte Maria. »Deine Mutter hat dir erklärt, dass es mit der Arbeit deines Vaters zusammenhängt und ...«
    »Ach, ich habe es satt, dass alle ständig von Vaters Arbeit reden«, fiel Bruno ihr ins Wort. »Etwas anderes kriegen wir nicht zu hören, wenn du mich fragst. Vaters Arbeit dies, Vaters Arbeit das. Aber wenn Vaters Arbeit heißt, dass wir von unserem Haus und dem Rutschgeländer und meinen drei allerbesten Freunden wegziehen müssen, dann sollte Vater sich das mit seiner Arbeit zweimal überlegen, findest du nicht?«
    Im selben Moment knarrte es draußen im Flur, und als Bruno aufblickte, sah er, wie die Schlafzimmertür seiner Eltern einen Spalt geöffnet wurde. Er
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