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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl
Autoren: Robert Ludlum
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behandelten den Atlas der Welt wie ein Zeichenblatt.
    Unabhängigkeit hatten sie es genannt! Das war eine der großen Lügen des 20. Jahrhunderts. Das Regime selbst kam einem Akt der Gewalt gegen das Volk von Kagama gleich, einem Gewaltakt, dem man nur mit noch mehr Gewalt begegnen konnte. Jedes Mal, wenn ein Selbstmordattentäter einen Minister der Hindu-Regierung erledigte, predigten die westlichen Medien von »sinnlosen Morden«, aber der Kalif und seine Soldaten wussten, dass nichts mehr Sinn machte als solche Taten. Der Kalif selbst hatte den Plan für die Welle von Bombenattentaten ausgearbeitet, über die die ganze Welt berichtete -Attentate, die offenkundig zivilen Zielen in der Hauptstadt Caligo galten. Die Lieferfahrzeuge, die dafür eingesetzt wurden, hatte man praktisch unsichtbar gemacht, indem man ihnen das Firmenzeichen eines allgegenwärtigen internationalen Frachtdiensts aufgemalt hatte. Was für ein einfaches Täuschungsmanöver! Voll gepackt mit Stickstoff-Kunstdünger, den die Rebellen mit Dieseltreibstoff getränkt hatten, lieferten die Fahrzeuge eine Ladung des Todes. Im zurückliegenden Jahrzehnt hatte diese Welle von Bombenanschlägen auf der ganzen Welt Abscheu und Verdammnis ausgelöst - eine seltsame Heuchelei, wo sie doch nur den Krieg ins Haus der Kriegshetzer trug.
    Jetzt flüsterte der Funker dem Kalifen etwas ins Ohr. Der Stützpunkt Kaffra war zerstört worden, seine Fernmeldeinfrastruktur außer Gefecht gesetzt. Selbst wenn es den Wachen im Steinpalast gelang, eine Nachricht abzusetzen, bestand jetzt nicht mehr die leiseste Hoffnung, dass jemand ihnen zu Hilfe kam. Dreißig Sekunden später hatte der Funker eine weitere Mitteilung zu überbringen: die Bestätigung, dass ein zweiter Militärstützpunkt in ihre Hände gefallen war. Damit stand ihnen jetzt eine zweite Hauptstraße zur Verfügung. Der Kalif verspürte ein Prickeln im Nacken. Noch wenige Stunden, und sie würden die ganze Provinz Kenna dem despotischen Griff der Tyrannen entrissen haben. Der Machtwechsel könnte beginnen. Das Licht der Nationalen Befreiung würde am Morgen mit der Sonne am Horizont aufleuchten.
    Aber nichts war wichtiger als die Einnahme des Steenpa-leis, des Steinpalastes. Nichts! Der Vermittler hatte das mit großem Nachdruck betont, und bis jetzt hatte der Vermittler immer Recht gehabt, angefangen mit dem Wert seines eigenen Beitrags. Auf ihn war Verlass gewesen - nein, noch mehr. Er war großzügig gewesen, geradezu überschwänglich mit seinen Waffenlieferungen und, von gleicher Wichtigkeit, seinen Informationen. Er hatte den Kalifen nicht enttäuscht, und der Kalif würde ihn nicht enttäuschen. Die Gegner des Kalifen verfügten über ihre eigenen Hilfskräfte, ihre Hintermänner und ihre Wohltäter; weshalb sollte er nicht auch die seinen haben!
    »Es ist noch kalt!«, rief Arjun entzückt aus, als er die Bierdose von der Straße aufhob. Die Dose war außen vereist. Arjun drückte sie sich an die Wange und stöhnte vergnügt. Seine Finger hinterließen ovale Abdrücke auf der eisigen Schicht, die verlockend im gelben Quecksilberdampflicht des Stützpunkts blitzte.
    »Sie ist wirklich voll?«, fragte Shyam zweifelnd.
    »Noch nicht geöffnet«, sagte Arjun. »Voll mit gesundem Getränk!«
    Und die Dose war schwer, ungewöhnlich schwer. »Wir werden unseren Ahnen einen Schluck opfern. Ein paar lange Schlucke für mich und die paar Tropfen, die dann noch übrig bleiben, für dich, weil ich ja weiß, dass du das Zeug nicht magst.«
    Arjuns dicke Finger fanden den Ring, mit dem man den Deckel abziehen konnte, und zogen kräftig daran.
    Der gedämpfte Knall des Zünders, vergleichbar einem Knallkörper, der Konfetti versprüht, war Bruchteile von Sekunden vor der eigentlichen Explosion zu hören. Die Zeit reichte Arjun fast aus, um ihn erkennen zu lassen, dass er einem Trick zum Opfer gefallen war, und genügte Shyam, um den Gedanken zu registrieren, dass sein Verdacht - obwohl dieser eigentlich im Unterbewusstsein geblieben war und sich nur als vages Unbehagen geäußert hatte - gerechtfertigt gewesen war. Als das Pfund Plastiksprengstoff explodierte, fanden die Gedankengänge beider Männer ein Ende.
    Die Explosion, ein alles zerschmetternder Augenblick des Lichts und des Schalls, dehnte sich sofort in ein immenses feuriges Oval der Zerstörung aus. Die Schockwellen zerschmetterten die beiden Messerbänke und das Bretterhäuschen ebenso wie die Baracke und die Männer, die dort schliefen. Die beiden
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