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Der Ire

Der Ire

Titel: Der Ire
Autoren: Jack Higgins
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der Gefängnisblocks.
Als Rogan darauf wartete, daß die Tür geöffnet wurde,
sah er es dem Schließer an, daß der Mann Bescheid
wußte. Das war nicht einmal überraschend. In spätestens
einer halben Stunde würden sämtliche Gefangenen und
Wärter informiert sein.
      Das Gefängnis war in den
Reformjahren des neunzehnten Jahrhunderts nach einem für alle
Strafanstalten Ihrer Majestät vorbildlichen System erbaut worden.
Ein halbes Dutzend dreigeschossiger Zellenblocks waren wie die Speichen
eines Rades um eine zentrale Halle angeordnet, die in dreißig
Meter Höhe durch eine Kuppel aus Glas und Eisenträgern
abgeschlossen wurde.
      Aus Sicherheitsgründen war jeder
Zellenblock von dieser Halle durch ein Drahtgitter abgetrennt. Der
Oberwächter schloß die Tür zum Block D auf und
ließ Rogan vorausgehen.
      Sie stiegen die Eisentreppe hinauf,
die ebenfalls mit Maschendraht eingezäunt war, damit kein
Häftling sich über das Geländer stürzen konnte.
Rogans Zelle lag im obersten Geschoß. Er blieb vor der Tür
stehen, bis der andere heran war.
      »Machen Sie keine Dummheiten,
Rogan«, mahnte der Oberwärter, als er die Zellentür
aufschloß. »Sie haben jetzt alles zu verlieren.«
      Rogan verlor einen Augenblick die
Beherrschung und drehte sich wütend nach dem Mann um, der
erschrocken vor ihm zurückwich. Dann fiel die Tür hinter
Rogan ins Schloß. Der Oberwärter schloß sie hastig ab.
      Rogan stand jetzt in seiner Zelle von
zwei mal drei Meter mit einem winzigen vergitterten Fenster. Ein
Waschbecken und das WC waren bei späteren Modernisierungsversuchen
eingebaut worden. An den freien Wänden stand je ein schmales Bett.
      Auf dem linken Bett lag ein Mann und
las ein Magazin. Er schien etwa fünfundsechzig zu sein, hatte
weißes Haar und fröhliche blaue Augen, die aus einem
runzligen Gesicht leuchteten.
      »Hallo, Jigger«, sagte Rogan.
      Das Lächeln auf Jigger Martins
Gesicht erstarb. Der Alte setzte sich auf. »Diese
Schweine!« knurrte er. »Diese verdammten
Schweinehunde!«
      Rogan starrte schweigend aus dem
vergitterten Fenster. Martin holte eine Packung Zigaretten unter seiner
Matratze hervor und bot sie ihm an. »Was hast du jetzt vor,
Ire?«
      Rogan lachte humorlos. »Was glaubst du, mein Junge? Was glaubst du denn?«

      Als das Tor sich hinter ihnen
schloß, atmete Dwyer unwillkürlich erleichtert auf. Er hatte
das Gefühl, als sei eine schwere Last von seinen Schultern
genommen worden. Er holte seine Zigaretten aus der Tasche.
      Der Sergeant bot Vanbrugh, der jetzt
selber fuhr, eine Zigarette an, aber er lehnte ab. Als sie die erste
Anhöhe erreichten, bremste Vanbrugh, drehte sich um und sah mit
finsterer Miene zu dem Gefängnis hinab.
      »Was wird er wohl tun, Sir?« fragte Dwyer halblaut.
      Vanbrugh machte eine ungeduldige
Handbewegung. »Menschenskind, überlegen Sie doch selbst! Sie
haben ihn doch gesehen, oder? Für einen Mann wie ihn gibt es nur
eine Möglichkeit.«
      Er gab wieder Gas und fuhr rasch weiter.

    2

      Der September war warm und klar
gewesen, aber am letzten Tag des Monats schlug das Wetter
plötzlich um. Dunkle Wolken hingen drohend über dem Moor,
Regen tropfte von den Dächern, und als Rogan ans Fenster trat,
wirbelte der Wind das Laub aus dem Garten des Direktors über den
Hof.
      Hinter ihm mischte Martin die Karten. »Spielen wir noch einmal, Ire?«
      »Lohnt sich nicht mehr«,
entschied Rogan. »Bald gibt's Essen.« Er runzelte die
Stirn, während sein Blick über den First des nächsten
Zellenblocks bis zum Gefängnislazarett glitt. Martin kam heran.
      »Ist das zu schaffen, Ire?«
      Rogan nickte. »Natürlich!
Beim letztenmal habe ich es in gut zwei Stunden geschafft.« Er
sah auf Martin hinab. »Du würdest es nie schaffen, Jigger.
Du würdest dir unterwegs das Genick brechen.«
      Martin grinste. »Warum sollte
ich ausbrechen wollen? In neun Monaten können mich alle. Meine
Alte hat eine nette kleine Pension in Eastbourne. Hier sieht mich
keiner wieder!«
      »Das habe ich schon einmal
gehört«, stellte Rogan fest. »Beherrschst du den Trick
mit der Tür noch?«
      »Klar!«
      Martin nahm einen Blechlöffel
aus dem Fach neben seinem Bett und ging damit zur Tür. Er horchte
einen Augenblick, bevor er sich auf die Knie niederließ.
      Das Schloß befand sich unter
einer fünf mal fünf Zentimeter großen Stahlplatte.
Martin schob den Löffelstiel zwischen die Platte und das
Türblatt. Er bewegte
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