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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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dem jungen Offizier ein Türchen zur Karriere und gab ihm einen Stoß nach vorwärts; der aber hätte gar nicht einmal eines Stoßes, sondern nur eines einzigen Gnadenblickes bedurft – er wäre nicht zugrunde gegangen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, verlebten die Gatten die ganze Zeit ihrer langen Ehe in voller Einmütigkeit. Schon in sehr jungen Jahren hatte es die Generalin verstanden, als eine geborene Prinzessin und als die Letzte ihres Geschlechts, vielleicht auch durch ihre persönlichen Eigenschaften, einige sehr hochgestellte Gönnerinnen zu finden. In der Folgezeit begann sie bei dem Reichtum und dem bedeutenden Dienstrang ihres Gatten sich in diesem hohen Kreis sogar einigermaßen einzuleben.
    In diesen letzten Jahren waren die Generalstöchter alle drei herangewachsen und herangereift: Alexandra, Adelaida und Aglaja. Allerdings trugen sie alle drei nur den Namen Jepantschin; aber mütterlicherseits waren sie doch von fürstlicher Abkunft; sie hatten eine bedeutende Mitgift und einen Vater, der vielleicht Aussicht hatte, später noch eine sehr hohe Stelle zu erhalten, und, was ebenfalls sehr wichtig war, sie waren alle drei recht hübsch, auch die älteste, Alexandra, nicht ausgenommen, die bereits fünfundzwanzig Jahre alt war. Die mittlere war dreiundzwanzig, und die jüngste, Aglaja, eben erst zwanzig geworden. Diese jüngste war sogar eine wirkliche Schönheit und begann schon in der Gesellschaft großes Aufsehen zu erregen. Aber auch das war noch nicht alles: alle drei zeichneten sich durch Bildung, Verstand und Talente aus. Es war bekannt, daß sie einander innig liebten und sich gegenseitig in jeder Hinsicht behilflich waren. Man sprach sogar von gewissen Opfern, die die beiden älteren zugunsten der jüngsten, die der Abgott des ganzen Hauses war, gebracht haben sollten. In Gesellschaft neigten sie nicht dazu, sich vorzudrängen, sondern waren sogar allzu bescheiden. Niemand konnte ihnen den Vorwurf der Hoffart oder des Dünkels machen; aber doch wußte man, daß sie ihren Stolz hatten und ihren eigenen Wert kannten. Die älteste war musikalisch, die mittlere eine begabte Malerin; aber davon wußte viele Jahre lang fast niemand, und es war erst in der letzten Zeit und nur zufällig an die Öffentlichkeit gekommen. Kurz, es wurde über sie außerordentlich viel Lobendes gesprochen. Indessen fehlte es auch nicht an Übelwollenden. Mit Schrecken redeten diese davon, wie viele Bücher die jungen Damen gelesen hätten. Mit dem Heiraten hatten sie es nicht eilig; sie legten zwar Wert auf den Verkehr in einem gewissen Gesellschaftskreise, aber alles nur mit Maßen. Das war um so bemerkenswerter, als jedermann die Richtung, den »Rau-chen?« versetzte der Kammerdiener, ihn geringschätzig und erstaunt anstarrend, als ob er seinen Ohren nicht traute. »Rauchen? Nein, hier können Sie nicht rauchen, und Sie sollten sich schämen, auch nur daran zu denken. Haha ... Sonderbar!«
    »Oh, ich meinte ja nicht in diesem Zimmer; daß das nicht geht, weiß ich ja; sondern ich würde irgendwohin gehen, wohin Sie mich weisen würden; denn ich bin daran gewöhnt und habe jetzt schon drei Stunden lang nicht geraucht. Übrigens, wie Sie es für gut halten; wissen Sie, es gibt ein Sprichwort: Kommst du in ein fremdes Kloster, so suche da nicht deine eigene Ordnung einzuführen.«
    »Na, wie soll ich Sie melden, so einen eigentümlichen Besucher?« murmelte der Kammerdiener beinah unwillkürlich. »Erstens gehört es sich nicht, daß Sie sich hier aufhalten; Sie sollten im Empfangszimmer sitzen, weil Sie selbst sich als Besucher, das heißt als Gast bezeichnen; da wird Rechenschaft von mir gefordert werden ... Wie ist es? Beabsichtigen Sie etwa, bei uns zu wohnen?« fügte er hinzu, noch einmal nach dem Bündel des Fürsten hinschielend, das ihm offenbar keine Ruhe ließ.
    »Nein, das beabsichtige ich nicht. Selbst wenn ich dazu aufgefordert würde, würde ich nicht hierbleiben. Ich bin ganz einfach nur hergekommen, um mich mit den Herrschaften bekannt zu machen, weiter nichts.«
    »Wie? Um die Bekanntschaft zu machen?« fragte der Kammerdiener erstaunt und mit verdreifachtem Mißtrauen. »Wie konnten Sie dann aber zuerst sagen, Sie kämen mit einem Anliegen?«
    »Oh, ich kann kaum sagen: mit einem Anliegen! Das heißt, wenn Sie wollen, habe ich auch ein Anliegen, das aber nur darin besteht, daß ich um einen Rat bitten möchte. In der Hauptsache aber bin ich gekommen, um mich vorzustellen, da ich Fürst Myschkin bin und
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