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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen
Autoren: Niklaus Schmid
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aber auf mich nur herausfordernd wirkte. Entsprechend war mein Ton: »Kommen Sie mir nicht mit dem Quatsch, Sie könnten in einem öffentlichen Lokal so lange und so oft und wen auch immer ansta-harren!«
    Gerade jetzt, wo ich ganz überlegen wirken wollte, fing ich auch noch an zu haspeln. Ich umfaßte die Tischkante. Falls der Kerl aufsprang, würde ich ihm die Tischplatte gegen den Bauch drücken und mich höhnisch entschuldigen.
    »Setz dich, Schlömm, bitte!« sagte er und strahlte mich an. »Als ich dich jetzt sprechen hörte, dieses Anhaken bei gewissen Wörtern, wenn du wütend bist, da wußte ich, daß du es bist; vorher habe ich es nur vermutet.«
    Ich guckte ihn an.
    Sein Grinsen wurde breiter und zeigte teuren, erstklassigen Zahnersatz. »Der alte Schlömm Mogge. Mensch, ich freue mich so!«
    Schlömm, so hatte mich schon seit Jahren niemand mehr genannt. Ich kramte in meinem Gedächtnis und sagte noch immer nichts.
    Er streckte mir die Hand entgegen, stellte sich vor. »Friedhelm Salm, Fitti.«
    »Sagt mir nichts«, log ich. Der Name sagte mir schon was, aber ich brachte ihn nicht mit Erfreulichem in Verbindung. Doch viel mehr ärgerte ich mich darüber, daß ich ihn nicht zuerst erkannt hatte. Ermittler sollten den anderen doch immer eine Nasenlänge voraus sein und nicht nachhinken.
    Salm machte mit der Hand, die ich unbeachtet gelassen hatte, eine einladende Bewegung, mich zu setzen; recht elegant sah das aus, und ich wollte mir die Geste für den Fall merken, daß mich mal jemand so abweisend behandeln würde, wie ich es gerade mit Salm getan hatte. Ich hockte mich ihm gegenüber auf einen Stuhl und wartete.
    »Heinrich-Bierwes-Schule«, sagte er und zog eine Grimasse, ruckte mit den Schultern, was wohl einen Gehfehler darstellen sollte, und fuhr mit näselnder Stimme fort: »Elmar, hast du dich gut präpariert? Unser Thema ist die Französische Revolution, Danton, Robespierre, Saint-Just.« Er gab die nachgemachte Stimme auf, fragte mit erwartungsvollem Grinsen: »Na, jetzt alles klar?«
    Ich zuckte die Achseln. Die Parodie, obwohl nicht schlecht gemacht, hatte in mir keine gute Erinnerung geweckt.
    »Schlömm, der olle Norbereit, Geschichtslehrer, steifes Bein, büschelweise Haare in den Nasenlöchern, die beim Sprechen immer wehten; über die Französische Revolution sind wir bei ihm nie hinausgekommen.«
    »Ja, Norbereit«, sagte ich lahm. Lang war es her, und viel war bei mir nicht hängengeblieben. Der Lehrer hätte den Geschichtsunterricht spannender gestalten sollen, mit aktuelleren Bezügen, aber vielleicht war ich auch einfach nur ein schlechter Schüler gewesen.
    Salm schob mir seine Packung Zigaretten mit Goldmundstück herüber. Ich lehnte ab und kramte einen weiteren Zahnstocher heraus, eine Sorte mit Pfefferminzgeschmack, die ich kürzlich entdeckt hatte. Irgend etwas braucht man wohl, wenn man nach dem Trinken auch noch das Rauchen aufgegeben hat.
    Wir blickten uns an. In seinem Gesicht lag noch immer das krampfige Lächeln. Er wartete darauf, daß ich auch mal etwas sagte. Von Augenblick zu Augenblick wurde es peinlicher. Ich hatte es geahnt, ich hätte mich gar nicht erst setzen sollen.
    »Hast du etwa erwartet, daß ich vor Freude auf dem Tisch tanze? Schon in der Schule haben wir doch oft genug Zoff gehabt«, sagte ich ziemlich garstig. Er hatte einen schlechten Tag bei mir erwischt. Als ich Anstalten machte, mich zu erheben, wich sein Grinsen einem Ausdruck der Verzweiflung.
    »Bleib, bitte! Es ist kein Zufall, daß wir uns hier getroffen haben.«
    »Sag bloß.«
    »Nein.« Salm zögerte, dann platzte er heraus: »Ich brauche deine Hilfe.«
    »Wie denn das?« Ich schaute betont auf seine goldene Armbanduhr, die soviel wie ein Kleinwagen gekostet hatte, wenn es denn keine geschickte Fälschung war.
    »Nichts Finanzielles.« Salm beugte sich vor, so daß ich durch das Duftwasser hindurch seinen Geruch wahrnehmen konnte. Ich wich zurück.
    In der vorgebeugten Haltung blickte Salm zum Tresen, wo sich der Wirt mit einem einzelnen Gast unterhielt, und dann zu den weiter entfernten Tischen; die in unserer Nähe waren unbesetzt.
    Nachdem er sich auf diese Weise überzeugt hatte, daß kein fremdes Ohr etwas aufschnappen konnte, sagte er: »Es geht um mein Leben.«

3.
     
     
     
    Ein großes Wort. Und weil ich mit soviel Pathos schlecht umgehen kann, reagierte ich flapsig: »Tatsächlich, nur um dein Leben? Erklär mal!«
    Salm holte in ziemlich weitem Bogen aus, begann noch einmal bei
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