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Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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Fläche noch vor einer Handvoll unbewaffneter Flüchtlinge ernsthaft etwas zu fürchten gab. Rainald sah sich außerstande nachzuvollziehen, was die Wölfe tun würden, so wie er auch keine Idee hatte, was er und seine kleine Gruppe als nächstes tun sollten. Die letzte halbe Stunde war nichts weiter gewesen als die Flucht vor der Tatsache, dass er mit seinem Latein am Ende war, dass er sich der Kinder und Schwester Venias wegen in Richtung auf die Stadt in Marsch setzen musste und dass er ein toter Mann war.
„Ich glaube, die Wölfe haben genug“, sagte Johannes. „Sie haben Angst, seit du zwei von ihnen niedergestreckt hast. Sie haben aufgegeben.“
Rainald begegnete Schwester Venias Blick. Sie wusste ebenso gut wie er, dass die Hoffnung eitel war.
„Komm, Blanka“, sagte er und bückte sich. „Ich trag dich wieder.“
Blanka war seit der missglückten Flussüberquerung neben ihnen hergestolpert. Im Wald lag der Schnee unregelmäßig, dort zu Wehen aufgehäuft, hier nur als feiner Belag; ihren kurzen Beinen war es leichter gefallen, dort vorwärts zu kommen als im Freien am Flussufer. Sie hatte den Verlust ihrer Schätze mit Fassung getragen. Lediglich den Ritter, der kopfüber im Schnee gesteckt war, hatte sie an sich genommen, und nach kurzer Suche, während derer Rainald seine Kleidung wieder in Ordnung gebracht hatte, die zu ihm gehörende weibliche Puppe. Eigentlich waren beide als König und Königin gedacht gewesen in einer Sammlung weiterer Spielfiguren, die zu schnitzen Rainald irgendwie nie die Zeit gefunden hatte. Allein, wie sie waren, hatte Blanka sie kurzerhand zu einem Ritter mit seiner Frau ernannt, und Rainald vermutete, dass er die Namen kannte, die sie ihnen gab, wenn sie im Stillen mit ihnen spielte: Rainald und Sophia. Beide Figuren steckten jetzt einsam in Blankas Gürtel als sichtbares Symbol dafür, was alles verloren gegangen war. „Wir könnten außen herum gehen“, sagte Schwester Venia. „Ja“, sagte Rainald und trat in die Lichtung hinaus. Er musste nicht hinzufügen, dass er überzeugt war, dass die Wölfe sie früher oder später stellen würden, und jede Minute, um die dieses Zusammentreffen verzögert wurde, schwächte Rainalds Kräfte.
Der Himmel war mittlerweile merklich dunkler geworden, eine bleigraue, einheitliche Fläche, aus der unablässig Flocken taumelten. Das Licht reichte noch für eine, höchstens zwei Stunden. Sobald die Nacht anbrach, würde ihr Schicksal besiegelt sein. Hier draußen auf der Lichtung wehte ein schwacher Wind, der keinen Geruch mit sich trug außer dem von Schnee. Rainald hörte das Knirschen seiner Schritte und das Knacken der Zweige, die unter der Schneedecke lagen. Johannes trottete hinter ihm her. Schwester Venia machte den Abschluss. Rainalds Blicke wanderten über die Lichtung, blieben an jedem Schatten, an jeder Bodenunebenheit, an jeder Verfärbung hängen und versuchten sie zu durchbohren. Schatten konnten sich in Wölfe verwandeln, das wusste er nun.
Sie passierten einen knorrigen, halbhohen Baum mit rissiger Borke. Rainald blieb stehen und ermaß die Umgebung. Sie hatten vielleicht ein Drittel der Strecke über die Lichtung zurückgelegt. Nichts rührte sich außer dem leisen Schwanken der Zweige. Der Wind blies nicht stark genug, um den feuchten Schnee aufzuwirbeln. Blanka wand sich in seinem Griff, um bequemer zu sitzen und selbst herumspähen zu können. Der Baum sah aus wie ein alter, bereits halb gefallener Obstbaum, der eine Lücke im Fels gefunden hatte, durch die er seine Wurzeln bohren konnte. Eine ganze Strecke weit von ihm entfernt, fast schon am jenseitigen Waldrand, stand ein zweiter. Sie hatten nicht ausgereicht, um den früheren Bewohnern ein Überleben zu ermöglichen. Mit dem Schnee in den Astgabeln und ihren bizarren Gestalten sahen beide aus, als seien auch seine Tage bereits gezählt. Schwester Venia schloss zu ihm auf.
„Die Stille ist schlimmer als das Geheul“, sagte sie. Sie war blass, doch sie schien besser bei Kräften zu sein als Johannes, der keuchte. Rainald wurde bewusst, dass er so schnell über die freie Fläche geeilt war, dass der Junge fast hatte laufen müssen, um Schritt zu halten. Er knurrte etwas. Er deutete auf den zweiten einzeln stehenden Baum. „Das ist unser nächstes Ziel“, sagte er.
Sie nickte. Ihrem Blick konnte er entnehmen, dass sie wusste, warum er die Strecke so legte. Wölfe konnten nicht klettern. Bei einem Angriff mochte ein erreichbarer Baum zunächst die Rettung
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