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Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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um und stapfte zu den Kindern hinüber. Rainald sah, wie Johannes den Kopf hob und zu ihr emporlächelte; ärgerlich konzentrierte er sich darauf, die ledernen Beinlinge aufzuschnüren und so weit über die Knie hoch zu rollen, wie er konnte. Er war unangenehm überrascht, wie schnell seine bloßen Füße in der Kälte zu schmerzen begannen. Er hatte in den Stiefeln gefroren und nicht gedacht, dass es noch schlimmer werden konnte. Er krempelte die Leinenhose unter den Lederbeinlingen nach oben, bis sich Stoff und Leder über seinen Knien ballten und zu drücken begannen. Als er zuletzt aufsah, begegnete er Blankas fassungslosem Blick. „Warum ziehst du dich aus, Papa?“, fragte sie. „Frierst du nicht?“
„Ich ziehe mich nicht ganz aus. Nur die Stiefel und die Hosen.“
„Willst du durch den Fluss waten?“, fragte Johannes. „Hast du was dagegen?“
„Wir könnten ein Seil ans andere Ufer hinüberschleudern, das würde dir Halt geben.“
„Und womit, du Schlauberger? Hast du Pfeil und Bogen? Oder ich? Hat Schwester Venia eine Armbrust unter dem Habit versteckt?“
„Wir könnten das Seil an deinem Schwert befestigen. Dann besteht auch eine gute Chance, dass es sich drüben im Gebüsch verkeilt.“
„Ich kann das Schwert nicht so weit schleudern“, sagte Rainald etwas ruhiger.
„Es käme auf einen Versuch an“, sagte Johannes und sah sich suchend um. Rainald ballte die Fäuste.
„Außerdem habe ich das Seil bei der Fähre zurückgelassen“, murmelte er. Er kam sich vor seinem eigenen Sohn so dumm vor, dass der Zorn wieder in ihm emporstieg. Johannes zog die Augenbrauen hoch. Rainald versuchte die scharfen Bemerkungen, die ihm als Antworten auf Johannes’ unvermeidliche Kritik durch den Kopf schossen, abzumildern. „Wer hätte auch gedacht, dass wir es brauchen“, sagte Johannes stattdessen. „Tut mir leid, ich wusste das nicht.“ Rainald blinzelte. Johannes nestelte an seinen Stiefeln herum. „Ich begleite dich“, sagte er.
Glaubst du, du kannst dich auf den Beinen halten in der Strömung, du halbe Portion?, glaubte Rainald zu erwidern und verzog innerlich das Gesicht wegen seiner Boshaftigkeit. Tatsächlich hörte er sich sagen: „Das war eine gute Idee, Johannes. Sie scheitert an meiner eigenen Dummheit. Und nein, du wirst mich nicht begleiten. Es ist zu gefährlich.“ Johannes machte ein unglückliches Gesicht.
„Es ist auch für dich zu gefährlich“, sagte Schwester Venia. „Gehen wir nach Trier.“
Rainald packte den Ast, rammte ihn ein paar Mal probehalber in den Boden und stieg dann wortlos ins Wasser.
Die Kälte ließ ihn nach Luft schnappen. Es gab tatsächlich noch etwas Kälteres als den Schnee. Das Wasser hätte sich von Rechts wegen wärmer anfühlen müssen, aber es tat es nicht. Seine Zehen begannen zu prickeln, als ziehe jemand ein Nadelkissen darüber. Die Steine auf dem Flussboden waren schlüpfrig. Er rutschte schon nach den ersten zögernden Schritten ab und musste sich auf den Ast stützen. Das Wasser spritzte auf und in sein Gesicht, wo es brannte wie Feuer. Er wechselte den Griff am Ast. Sein Blick fiel wieder auf die wie eingeätzten Spuren von Caesars Blut zwischen seinen Fingern. Eine wässrig rote Spur rann zwischen seinen Knöcheln hervor, wo das Wasser das getrocknete Blut wieder auflöste. In seinen Fußsohlen drückte jetzt ein dumpfer Schmerz zusätzlich zum Prickeln der Kälte, wo er sich an den Steinen angestoßen hatte. Er blickte über die Schulter; er hatte eine erbärmliche Strecke zurückgelegt. Mit einem Stock hätte selbst Blanka ihn vom Ufer aus antippen können. Rainald biss die Zähne zusammen, mied die Blicke seiner drei Gefährten und watete weiter.
Als das Wasser ihm über die Knie ging und begann, seine Hosen zu durchnässen, gewann die Kälte eine neue Qualität. Rainalds Füße waren gefühllos, nur dort, wo die Steine gegen seine Sohlen drückten, spürte er einen Schmerz, von dessen Intensität er erstaunt war.
Er hatte noch nicht einmal ein Viertel der Strecke geschafft. Wenn er sicher drüben angekommen war, bedeutete das nichts weiter, als dass er wieder zurück musste, um danach Blanka, Johannes und Schwester Venia über den Fluss zu tragen. Plötzlich wusste er, dass er es nicht schaffen würde, insgesamt vier Mal über den Fluss zu gehen; er würde es noch nicht einmal das erste Mal schaffen. Er blieb stehen, auf seinen Ast gestützt, und drehte sich um. In diesem Moment hielt ihn nur die Kälte des Wassers davon ab, auf die Knie
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