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Der Hirte, Teil 2 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 2 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 2 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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davon. Der Wolf duckte sich zum Sprung.
Schwester Venia schrie und sprang mit wehendem Habit den Hang herunter, auf den Wolf zu. Das Tier fuhr herum und prallte zurück. Die Schwester schlug mit dem Prügel ein Luftloch und geriet ins Taumeln. Der Wolf schien so überrascht, dass er seine Mordlust vergaß. Schwester Venia fiel mitsamt ihrer Waffe in den Schnee und kam über und über bestäubt wieder daraus hervor, den Prügel erneut erhoben. Der Wolf zog den Schwanz zwischen die Hinterbeine und wich zurück. Rainald verstand, was sein Schwert festhielt, und warf sich zur Seite. Die Klinge kam frei. Rainald sprang auf. Der Wolf fuhr herum und floh vor der um sich schlagenden Klosterschwester. Er rannte mit angelegten Ohren und eingekniffenem Schwanz direkt auf Rainald zu, ohne ihn zu sehen. Rainald packte den Schwertgriff mit beiden Händen und ließ die Klinge auf das Tier heruntersausen. Es grub im Fallen eine Furche in den Schnee, die sich in seiner Spur rot färbte.
Rainald hastete zu Johannes und Schwester Venia hinüber. Sein Herz wollte zerspringen, er erstickte fast vor Atemnot. Johannes lag regungslos. Schwester Venia saß im Schnee, als hätte alle Kraft sie verlassen. Rainald fiel vor seinem Sohn auf die Knie und riss ihn in die Höhe. Johannes schrie auf. „Ist dir was passiert, ist dir was …?“
Rainald sah den zerfetzen Ärmel, wo sich die Zähne des Wolfs in den Arm gegraben hatten. Es war kaum Blut zu sehen, Mantelärmel, Jacke und Steppgewand hatten das Schlimmste abgehalten, und Johannes’ Herumgefuchtel hatten die Kiefer des Wolfs abrutschen lassen. Rainalds Herz schlug Trommelwirbel. Er tastete seinen Sohn mit fliegenden Händen ab. Johannes begann zu weinen. Er zerrte ihn hoch. „Schnell, schnell, in die Hütte, bevor die anderen …“ Er fuhr herum und streckte die andere Hand aus. „Schwester, schnell, bei allen Heiligen, kommt schon, bevor die anderen Biester … was für eine gottverfluchte Idee … seid Ihr denn von allen …“ Er verstummte. Schwester Venia starrte mit großen Augen zum Waldrand hinauf.
Die Wölfe waren verschwunden.
Die beiden Tiere, die Rainald erlegt hatte, wirkten im Tod kleiner und schmaler als im Leben. Das dritte Tier war ebenso verschwunden wie alle anderen. Rainald versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass erneut ein Schaudern über seinen Körper lief. Er drehte sich um, als er zögernde Schritte hörte. Johannes stand hinter ihm und wischte sich über das Gesicht. Sein Brustkorb hob und senkte sich krampfhaft, als er sich bemühte, nicht mehr zu weinen. Rainalds Blicke wanderten zu dem Schneematsch zwischen Johannes’ Füßen. Blutstropfen malten verblassende Rosenmuster hinein.
Johannes folgte den Blicken seines Vaters von dem in den Schnee tropfenden Blut an seinem Bein entlang in die Höhe bis zu dem klaffenden Riss an der Innenseite seines Oberschenkels. Wölfe hatten scharfe Zähne und an den Pfoten ebenso scharfe Krallen. Johannes sah Rainald in die Augen. Dann knickte das verletzte Bein ein, und der Junge fiel auf die Seite.
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