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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts!«
    »Abwarten, Hannes.« Der Verwalter sah auf seine Uhr. »In zehn Minuten kommt der Omnibus vom Bahnhof. Vielleicht haben wir Glück und bekommen anständige Leute.«
    »Us Rußland? Nä Chef!«
    »Herr von Gerber wird wissen, was er tut.«
    »Da ist weit weg. Ärjern muß isch misch!«
    Von weitem hörte man hupen. Hannes hob die breiten Schultern und rollte die Arme in den Gelenken, als solle es zu einem Boxkampf gehen.
    »Jleich sind se do!«
    »Benimm dich anständig, Hannes.« Der Verwalter lächelte. »Wenn er nun zwei Meter groß ist und stark wie ein Bulle?«
    Der Omnibus bog um die Ecke des Gutswaldes und rollte über die Straße bis vor das Tor des Gutes. Dort hielt er mit knirschenden Bremsen.
    Durch die Scheibe des Wagens starrten Boris und Svetlana, Mischi und Mascha auf die langgestreckten Gebäude und Ställe des Gutes Gerberhof. Eine zwei Meter hohe Mauer umgab Gutshaus und Wirtschaftsgebäude … dahinter dehnten sich die Felder, Waldstücke, ein Teich mit Schwänen und Gänsen und Enten. Sie waren noch im Wasser, denn die Kälte, die Rußland bereits in eine Eiswüste verwandelt hatte, war noch nicht bis hierher gedrungen.
    »Eine schöne Datscha, Papaschka!« rief der kleine Mischa. Da die Tür des Omnibusses bereits geöffnet war, hörte es Hannes. Er verzog das Gesicht.
    »Datscha!« sagte er zu dem Verwalter. »Müsse mer jätzt alle russisch liere …«
    »Zunächst halten Sie den Mund! Das ist wichtiger!« Der Verwalter ging zum Omnibus und reichte Erna-Svetlana die Hand, als sie herunterstieg. Sie hatte die kleine Natascha an sich gedrückt, als könne man sie ihr wegnehmen.
    »Kommen Sie – geben Sie mir das Kindchen! Ich habe selbst drei …« Er nahm ihr Natascha ab und stützte sie, bis sie auf dem Boden stand. »Willkommen auf Gerberhof«, sagte er ehrlich erfreut. Er streifte Erna-Svetlana mit einem verwunderten Blick. Dieses schmale, feine Gesicht, diese langen, goldenen Haare, diese zartgliedrige Figur. Wie mochte sie erst aussehen, wenn sie vernünftig gekleidet war und gepflegt nach westlichen Begriffen. Man wird Hannes festhalten müssen, dachte er. Oder Boris wird ihn eines Tages erschlagen, wenn er ihn bei seiner Frau sieht.
    Er sah sich um. Mit breitem Lächeln stand Hannes bereits neben Svetlana und grinste sie an.
    »Wat e lecker Mädche!« sagte er laut.
    »Ab!« kommandierte der Verwalter. »In den Stall! Ich brauche Sie nicht mehr!«
    »Aber ich sollte doch das Gepäck –«
    »Weg, sage ich!«
    Brummend trollte sich der Knecht zurück zu den Ställen. Boris stieg aus dem Omnibus, hinter ihm kletterten Mischa und Mascha heraus. Der Verwalter streckte Boris beide Hände entgegen.
    »Es soll Ihre neue Heimat werden, Herr Horn«, sagte er fast feierlich. »Nach all dem, was Sie erlebt haben, werden Sie sich hier wie auf einer seligen Insel vorkommen! Sie sollen endlich wissen, wofür Sie leben und arbeiten.«
    »Ich will daran glauben.« Boris sah hinüber zu den großen Gebäuden. »Wir müssen ganz von vorn anfangen. Zum drittenmal in zwanzig Jahren.«
    »Es wird Ihnen nicht schwerfallen. Und jetzt kommen Sie herein.«
    Fast feierlich gingen sie durch das große Tor und betraten den weiten Innenhof des Gutes. Sie sahen hinüber zu dem Herrenhaus, zu dessen Eingang eine große Freitreppe hinaufführte. Wie ein Schloß sah es aus. Wie ein Landsitz der großen Katharina.
    »Wie schön«, sagte Erna-Svetlana leise.
    »Herr von Gerber wird Sie heute abend empfangen. Er will mit Ihnen essen.«
    »Essen? Aber wir haben doch nichts anzuziehen. Wir haben nur das, was wir hier auf dem Leibe tragen. So können wir doch nicht …«
    Der Verwalter winkte ab. »So und nicht anders. Sie kennen Herrn von Gerber nicht. Wenn er hier ist, unterscheidet er sich nicht von den Knechten. Er ist ein fabelhafter Chef.«
    Sie gingen hinüber zu den Gesindewohnungen. Eine Wohnung war bereitgestellt … eine kleine Küche, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Keine großen Räume, aber licht und sauber und neu tapeziert. Wie vor einem Wunder stand Mischa vor dem Wasserhahn in der Küche und drehte ihn auf und zu.
    »Es ist tatsächlich wahr, Papaschka«, rief er voller Entzücken. »Das Wasser läuft aus der Wand. Ich hab's nicht geglaubt …«
    »Und einen elektrischen Kochherd haben wir auch«, sagte Erna-Svetlana. »Und einen weißen Küchenschrank …« Sie lehnte sich an Boris' Schulter und weinte plötzlich. »Es ist wie im Paradies, Bor … Ich kann es noch nicht begreifen
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