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Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume

Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume

Titel: Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume
Autoren: Verschiedene
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er. Ein bißchen kam er sich albern dabei vor, mit nichts anderem als Dunkelheit zu reden; und trotzdem war er fast sicher, daß das, was immer sich hinter der Barriere aus geronnener Finsternis verbarg, ihn hörte und verstand.
    Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter, und er blickte in O’Reileys wettergegerbtes Gesicht. »Mach dich nicht selbst verrückt«, sagte der alte Ire. Seine Stimme klang wie das Brummen eines schlechtgelaunten Waschbären, aber Jones wußte, daß O’Reiley hinter seiner rauhen Schale einen sensiblen und gutmütigen Kern verbarg.
    Und das war der letzte klare Gedanke, den er faßte...
    Eine gigantische schwarze Hand schien nach seinem Gehirn zu greifen und fegte sein Denken mit feurigen Fingern hinweg. Dann sah er...
    Es war eine Vision, und er war sich dieses Umstandes völlig bewußt, und trotzdem war sie so echt, daß er glaubte, die Realität zu erleben. Er sah eine Stadt... eine Stadt, wie er sie noch niemals zuvor erblickt hatte. Die Gebäude schimmerten silbern. Sie waren von unvergleichlicher Feinheit, schmal und hoch, mit unzähligen Erkern und kristallenen Türmchen. Es gab Parks mit Teichen und munter plätschernden Springbrunnen, und Blumen von einer Pracht und Farbenvielfalt, die ihresgleichen suchte. Wesen von anmutiger Zartheit tanzten in den Straßen dieser Elfenstadt...
    Dann verblaßte das Bild, als lege sich ein milchiger Schleier darüber. Enttäuscht stöhnte Jones auf. Noch nie zuvor hatte er einen Ort von solcher Schönheit gesehen, und er wußte, daß er dorthin gelangen mußte, wenn er nicht vor verzehrender Sehnsucht sterben wollte. Es gab keine Anstrengung, die zu groß war, um die Stadt zu erreichen.
    Mit tänzerischer Leichtfüßigkeit bewegte er sich auf den Durchgang zu. Schatten waren um ihn herum, die ihn zurückzuhalten versuchten. Ohne jede Mühe schüttelte Jones sie ab. Ein lautes Geräusch ertönte, und gleichzeitig knickte ihm ein Bein unter dem Körper weg, ohne daß er wirklichen Schmerz spürte. Er stemmte sich wieder hoch. Es dauerte nicht einmal zwei Sekunden, auch den letzten der konturlosen Schatten abzuschütteln.
    Unbeirrt setzte Jones seinen Weg durch den schmalen Stollen fort. Mit der Gleichmäßigkeit einer Maschine setzte er einen Fuß vor den anderen. Sein Gesicht zeigte einen verklärten, glücklichen Ausdruck, als er die Barriere erreichte.
    David Jones lächelte noch, als er hindurchschritt und nachtschwarze Tentakel auf ihn zuglitten...

    * * *

    Der Pub sah von innen genauso aus, wie es sein Äußeres erwarten ließ: schmutzig und ungepflegt. Die Luft war stickig und verbraucht; es roch nach kaltem Rauch und abgestandenem Bier, und der Gestank von Howards Zigarre verringerte meine Atemprobleme auch nicht gerade.
    Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es war später Nachmittag, und um diese Zeit hielten sich nur wenige Menschen in dem Pub auf. Es waren einfache Seeleute in verschlissener Kleidung. Ihre derben, grobschlächtigen Gesichter paßten zu der Umgebung wie die berüchtigte Faust aufs Auge. Ich glaubte die taxierenden Blicke der Männer wie Dolchstöße zu spüren. Betont unauffällig blickte ich in eine andere Richtung, wobei ich mir bewußt war, daß wir auch so genügend Aufmerksamkeit erregten.
    Schon unsere Kleidung machte deutlich, wie sehr wir uns von den Männern hier unterschieden, und die blitzförmige weiße Strähne in meinem Haar tat ein übriges. Auch wenn die Mode immer törichter zu werden begann, hatte sich eine solche Stilrichtung bislang noch nicht durchsetzen können. Möglicherweise war ich hundert Jahre zu früh dran, was ausgefallene Frisuren anging.
    Der Wirt, einer jener Zeitgenossen, denen ich auch nicht unbedingt allein in einer nächtlichen Gasse begegnet wäre, kam mit finsterer Miene herangeschlurft und knallte die bestellten Bierkrüge vor uns auf den Tisch, daß gut ein Viertel der Flüssigkeit, von der er behauptete, daß es sich um Bier handle, dabei überschwappte und auf unsere Anzüge spritzte. Angesichts seiner massigen Statur erschien es mir angeraten, mich nicht darüber zu mokieren. Ich verbiß mir die Frage, in welchem Wasser die Krüge wohl gespült worden sein mochten – wenn überhaupt –, und probierte einen Schluck. Entgegen allen Erwartungen schmeckte das Bier sogar recht gut, aber das erschien mir als Grund, warum Howard mit mir in überstürzter Hast nach Brighton aufgebrochen war, reichlich unzureichend, zumal es auch in London – zumindest gelegentlich
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