Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - GK583 - Im Schatten der Bestie

Der Hexer - GK583 - Im Schatten der Bestie

Titel: Der Hexer - GK583 - Im Schatten der Bestie
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
murmelte er. »Wenn ich du wäre, dann wäre ich wahrscheinlich genauso ungeduldig.« Plötzlich lächelte er. »Wahrscheinlich hätte ich es nicht einmal eine Woche ausgehalten. Aber du brauchst Ruhe. Deine Verletzung ist viel ernster, als du glaubst.«
    Instinktiv tastete ich nach der Wunde an meiner Stirn. Der fingerlange Riß war längst verheilt, und alles, was zurückgeblieben war, war eine dünne, nur bei genauem Hinsehen überhaupt sichtbare weiße Narbe. Und die weiße Haarsträhne. Ein Streifen schlohweißen Haares, gezackt wie ein Blitz, die über meiner rechten Braue begann und sich bis zum Scheitel hinaufzog, wie ein Stigma, ein Zeichen, mit dem ich für den Rest meines Lebens gebrandmarkt war.
    »Du mußt dich schonen, Robert«, fuhr Howard fort. »Ich meine es ernst. Du hast etwas überlebt, was kein normaler Mensch überlebt hätte. Eigentlich reicht der bloße Anblick eines Big Old One, einen Menschen zu töten, oder zumindest in den Wahnsinn zu treiben. Dein Vater, Robert, lag damals ein halbes Jahr auf Leben und Tod.«
    »Das ist es ja gerade, was ich meine«, antwortete ich düster. »Ich bin kein normaler Mensch, Howard. Ich will endlich wissen, was mit mir los ist. Wer ich bin.«
    »Der Sohn deines Vaters«, antwortete Howard ruhig.
    »Und wer war mein Vater? Außer Roderick Andara, dem Hexer?«
    Diesmal antwortete Howard nicht sofort. »Ich ... erzähle dir alles«, sagte er, aber erst nach langem Schweigen und sehr zögernd. »Aber nicht jetzt, Robert. Nicht jetzt und nicht hier. Es ist eine lange Geschichte, und wir haben im Moment Wichtigeres zu tun. Wenn wir das Wrack gefunden und die Kiste geborgen haben ...«
    »Findest du bestimmt eine andere Ausrede«, fiel ich ihm ins Wort. Meine Attacke war unfair. Ich hatte keinen Grund, an Howards Aufrichtigkeit und Freundschaft zu zweifeln, aber nach einer Woche, die ich mit praktisch nichts anderem als Nachdenken und Fragen verbracht hatte – ohne jemals eine Antwort zu bekommen – war mir das egal.
    »Warum vertraust du mir nicht einfach, Robert?« fragte er leise. Sein Blick wirkte traurig. »Was muß ich noch tun, um dir zu beweisen, daß ich auf deiner Seite stehe?«
    »Nichts«, sagte ich. »Du brauchst mir nichts zu beweisen, Howard, weil ich es weiß.«
    »Dann hör auf, Fragen zu stellen«, sagte Howard ernst. »Du wirst alles erfahren, wenn die Zeit reif ist.«
    Ich starrte ihn an, hob die Hand und berührte die Narbe an meiner Stirn. »Es hat damit zu tun, nicht?« fragte ich leise. »Mit der Verletzung.«
    Howard schwieg, aber seine Mundwinkel zuckten ganz leicht, und mit einem Male hielt er meinem Blick
    nicht mehr stand, sondern sah weg und begann nervös mit seinem silbernen Zigarrenetui zu spielen.
    »Es war mehr als eine Fleischwunde, nicht wahr?« fuhr ich fort. »Der Riß ist längst verheilt, aber es geht mir immer noch nicht besser, und ...«
    »Die Wunde war entzündet«, unterbrach mich Howard. »Es war alles voller Schmutz und Staub. Du hast doch selbst gehört, was der Arzt gesagt hat.« Es war eine Ausrede. Der Arzt, zu dem mich Howard und Robert gebracht hatten, hatte genau das gesagt, was er sagen sollte, nicht mehr und nicht weniger, und man mußte nicht einmal wie ich über die Gabe verfügen, Wahrheit von Lüge unterscheiden zu können, um das zu spüren. Howard war kein besonders guter Schauspieler.
    »Quatsch«, sagte ich leise.
    »Du ...«
    »Das ist Unsinn, Howard. Versuch’ nicht, mir etwas vorzumachen. Irgend etwas ist mit mir passiert, als mich dieses ... dieses Ding berührt hat. Ich fühle mich von Tag zu Tag schlechter, und diese Schwächeanfälle werden jedesmal schlimmer, statt besser. Was ist los mit mir?« Ich schwieg einen Moment, setzte mich – diesmal weit vorsichtiger als beim ersten Mal – auf und sah ihn fest an. »Ich kann die Wahrheit vertragen, Howard«, sagte ich leise. »Dieses Biest hat mich nicht einfach nur niedergeschlagen. Irgend etwas ist mit mir geschehen, als es mich berührt hat. Was? War es ... eine Art Gift?«
    Howard nickte. Die Bewegung war fast nicht wahrnehmbar. Nervös klappte er sein Etui auf, steckte sich eine seiner dünnen schwarzen Zigarren zwischen die Lippen und ging zum Kamin, um sich mit einem brennenden Span Feuer zu nehmen, ehe er sich wieder umwandte und mich ansah. Sein Gesicht war hinter dichten blaugrauen Rauchwolken verborgen.
    »Ja«, sagte er. »Aber anders, als du denkst. Ich kann es dir nicht erklären, Robert, nicht jetzt und nicht hier, aber ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher