Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
wollte,
zeigte der Architekt dem Gaste die Wohnung. Vor allem den großen,
in Weiß und Gold gehaltenen Salon, mit schön gegliederten Friesen
reich verziert, zwischen einem kleinen grünen Salon gelegen, aus
dem er ein Arbeitszimmer gemacht hatte, und dem Schlafzimmer, wohin
sie jetzt nicht eintreten konnten, das aber – wie Campardon seinem
jungen Freunde sagte – ziemlich schmal und mit einer malvenfarbenen
Tapete bekleidet war. Dann kamen sie in den Speisesaal, der ganz
mit unechtem Holzgetäfel geziert war und eine sehr verwickelte
Ausschmückung von Feldern und Rosetten zeigte.
    Das ist ja herrlich! rief Octave entzückt aus.
    An der Decke durchschnitten zwei lange Risse die Rosetten; in
einer Ecke der Decke war die Malerei abgesprungen, so daß der
Mörtel sichtbar war.
    Ja, es wirkt, sagte der Architekt langsam, wobei er nach der
Decke schaute. Sie begreifen: diese Häuser sind für die Wirkung
gebaut … aber es wäre nicht ratsam, die Mauern gar zu streng
zu prüfen. Das Haus steht kaum zwölf Jahre und beginnt schon, die
Haut abzuwerfen. Die Vorderseite wird aus schönen Steinen mit
Bildhauerarbeiten hergestellt, das Stiegenhaus dreifach lackiert,
die Wohnräume werden vergoldet und bemalt:
Das zieht die Leute an und flößt ihnen Vertrauen ein. Unser Haus
ist noch ziemlich fest und wird länger dauern als wir.
    Sie kamen jetzt wieder durch das Vorzimmer, das durch ein
Fenster mit matten Scheiben das Licht empfing. Links befand sich
noch ein Hofzimmer, wo seine Tochter Angela schlief; das Zimmer war
ganz weiß und glich in dem trüben Lichte dieses Novemberabends
einer Gruft. Am Ende des Ganges lag die Küche, wohin der Baumeister
seinen Gast durchaus führen wollte, damit er alles sehe.
    Treten Sie nur ein! sagte er, die Türe aufstoßend.
    Ein greulicher Lärm drang aus der Küche. Das Fenster stand trotz
der Kälte weit offen. An dem Geländer des Fensters standen das
brünette Stubenmädchen und eine dicke alte Köchin und neigten sich
in den finstern Abgrund eines engen, innern Hofes hinaus, auf den
Stockwerk für Stockwerk die Fenster sämtlicher Küchen des Hauses
sich öffneten. Alle beide schrieen zu gleicher Zeit in den Abgrund
hinab, aus dessen Tiefe übermütige Stimmen herauftönten, untermengt
von Gelächter und Flüchen. Es war, als ob ein Ausguß seines
Inhaltes entleert werde. Das Dienstgesinde des ganzen Hauses war
versammelt, um sich gehen zu lassen. Octave gedachte augenblicklich
der bürgerlichen Wohlanständigkeit, die auf der großen Treppe
herrschte.
    Jetzt wandten die beiden Frauenzimmer sich um, als ob eine
Ahnung ihnen die Anwesenheit der beiden Herren verraten hätte. Sie
waren überrascht, als sie ihren Gebieter in Gesellschaft eines
fremden Herrn sahen. Die Fenster flogen zu, und es trat wieder
tiefes Stillschweigen ein.
    Was gibt's, Lisa? fragte Campardon.
    Gnädiger Herr, sagte die Zofe in erregtem Tone, es ist wieder
dieser Schmutzfink Adele. Sie hat die Eingeweide eines Kaninchens durch das Fenster hinuntergeworfen.
Gnädiger Herr sollten mit Herrn Josserand darüber reden.
    Campardon blieb ernst: er schien sich in die Sache nicht
einmengen zu wollen. Er kehrte in sein Arbeitszimmer zurück und
sagte zu Octave:
    Sie haben jetzt alles gesehen. In allen Stockwerken sind die
Wohnungen einander gleich. Ich bezahle 2500 Franken und wohne im
dritten Stock! Die Miete wird von Tag zu Tag teurer. Herr Vabre
zieht sicherlich 22 000 Franken Erträgnis aus diesem Hause. Es
wird noch im Werte steigen; denn man spricht davon, daß vom
Börsenplatz bis zur neuen Oper eine breite Straße angelegt werden
soll … Wenn man bedenkt, daß er den Grund vor zwölf Jahren um
einen wahren Pappenstiel an sich gebracht hat! …
    Als sie eintraten, bemerkte Octave über einem Zeichentisch im
vollen Lichte des Fensters ein Bild der heiligen Jungfrau mit dem
flammenden Herzen. Der junge Mann vermochte eine Regung der
Überraschung nicht zu unterdrücken. Er blickte Campardon an, den er
in Plassans als einen lustigen Vogel gekannt hatte.
    Ach ja! Ich habe Ihnen noch nicht mitgeteilt – sagte Campardon
leicht errötend – daß ich zum bischöflichen Architekten in dem
Sprengel von Evreux ernannt worden bin. Die Sache ist nicht sehr
einträglich, sie bringt kaum mehr als 2000 Franken jährlich. Aber
es ist nichts dabei zu tun, wie von Zeit zu Zeit eine kleine Reise
dahin; ich habe übrigens dort einen Inspektor. Aber sehen Sie, es
ist von großem Nutzen, wenn man auf seine Karte setzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher