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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd
Autoren: Emile Zola
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ist Kassier in der Glasfabrik
Sankt-Joseph und hat zwei heiratsfähige Töchter; neben Ihnen wohnt
eine kleine Beamtenfamilie, die Pichons. Die Leute sind nicht
reich, aber gut erzogen… Man muß doch alle Wohnungen vermieten,
selbst in einem Hause wie diesem.
    Vom dritten Stockwerk angefangen verschwand der rote Teppich; an
seine Stelle trat eine einfache graue Leinwand. Octave fühlte sich
dadurch ein klein wenig in seiner Eigenliebe verletzt. Die Treppe
hatte ihn allmählich mit Achtung erfüllt; er hatte sich darüber
gefreut, in einem so »vornehmen« Hause zu wohnen, wie der Architekt
es genannt hatte. Hinter diesem
einhergehend, bemerkte er auf dem Gange, der zu seinem Zimmer
führte, durch eine halboffene Türe eine junge Frau, die vor einer
Wiege stand. Bei dem Geräusch der Tritte blickte sie auf. Sie war
blond und hatte helle, ausdruckslose Augen; er erhaschte nur diesen
Blick, denn die junge Frau stieß plötzlich errötend die Türe zu mit
der verschämten Miene einer überraschten Person.
    Campardon wandte sich um und wiederholte:
    Wasserleitung und Gasbeleuchtung ist in allen Stockwerken, mein
Lieber.
    Dann zeigte er auf eine Türe, die nach der Dienstbotentreppe
führte. Oben befanden sich die Zimmer des Dienstgesindes. Jetzt
blieb er am Ende des Flures stehen und sagte:
    Endlich sind wir bei Ihnen.
    Das viereckige, ziemlich große Zimmer hatte eine graue
Papiertapete mit blauen Blumen und Möbel aus Mahagoni. Neben dem
Schlafzimmer war eine Art Toilettenkabinett eingerichtet, so groß,
daß man sich daselbst die Hände waschen konnte. Octave ging
geradeaus zum Fenster, durch das ein trübes, grünliches Licht
hereinfiel. Traurig und sauber gähnte der Hof unter ihm mit seinem
regelmäßigen Pflaster und seinem Brunnen, dessen kupferner Hahn bis
herauf glänzte. Noch immer kein lebendes Wesen, kein Geräusch;
nichts als die gleichförmigen Fenster ohne einen Vogelbauer, ohne
einen Blumentopf, den eintönigen Anblick ihrer weißen Vorhänge
darbietend. Um die große kahle Mauer des Nachbarhauses zur Linken
zu verdecken, welche das Viereck des Hofes abschloß, hatte man
daselbst die Fensterreihen wiederholt durch gemalte falsche Fenster
mit ewig geschlossenen Läden, hinter denen das verschlossene Leben
der benachbarten Wohnungen sich fortzusetzen schien.
    Ich werde ja prächtig wohnen! rief Octave entzückt
aus. Nicht wahr? sagte Campardon. Mein
Gott! Ich habe alles so veranstaltet, als ob es für mich selbst
geschehe, überdies bin ich den Weisungen nachgekommen, die Sie mir
in Ihren Briefen gegeben haben … Also die Einrichtung gefällt
Ihnen. Nun, Sie haben alles, was ein junger Mann braucht. Später
werden Sie selbst das Nötige nachschaffen.
    Octave drückte ihm unter Ausdrücken des Dankes und der
Entschuldigungen für die verursachte Mühe sehr warm die Hände,
worauf der Architekt mit ernster Miene sagte:
    Hier, mein Lieber, müssen Sie sich geräuschlos bewegen, und vor
allem keine Weiber … Wenn Sie einmal ein Frauenzimmer
mitbrächten, auf Ehre! das würde das ganze Haus in Aufruhr
versetzen.
    Seien Sie beruhigt, murmelte der junge Mann etwas zerstreut.
    Wahrhaftig, ich selbst wäre dadurch bloßgestellt. Sie haben das
Haus gesehen. Durchwegs Bürgersleute und von einer Anständigkeit,
die, unter uns gesagt, oft zu weit getrieben wird. Man hört niemals
ein Wort, niemals das geringste Geräusch – ganz wie Sie es gesehen
und gehört haben. Ei ja! Herr Gourd liefe sogleich zu Herrn Vabre,
und dann säßen wir beide in der Tinte! … Ich bitte Sie daher
noch einmal um meiner Ruhe willen: achten Sie das Haus!
    Ergriffen von so großer Rechtschaffenheit, gelobte Octave hoch
und teuer, das Haus zu achten. Campardon aber blickte vorsichtig
umher und sagte dann mit gedämpfter Stimme:
    Auswärts – hat sich niemand um Sie zu kümmern. Paris ist groß,
man findet Platz genug … Was mich betrifft – ich bin Künstler
und nehme es nicht so genau!
    Jetzt wurden die Koffer durch einen Dienstmann
heraufgeschafft. Als alles an Ort und
Stelle war, half der Architekt in väterlicher Weise dem jungen Mann
bei seiner Toilette. Als diese beendet war, erhob er sich und
sagte:
    Jetzt wollen wir hinabgehen, um meine Frau zu sehen.
    Im dritten Stockwerk fanden sie die Zofe, ein schmächtiges,
kokettes Mädchen mit brünetter Hautfarbe. Die Zofe erklärte, Madame
sei beschäftigt. Weil er ohnehin schon in Erklärungen begriffen war
und seinen jungen Freund rasch mit allem vertraut machen
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