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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg
Autoren: H. J. Alpers
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stand dann still. Charlesworth und ich nahmen unsere Brillen ab, und als unser Gehör sich allmählich wieder einstellte, merkten wir, daß Annette laut schrie – sie hatte endlich einmal die Fassung verloren.
    „Mom und Dad bringen mich um, wenn ich Bagheera verliere!“
    Mir schien, das sei ihr ureigenes Problem, aber Charlesworth dachte da anders. „Komm, Sagar!“ schrie er. „Sie kann nicht weit sein!“
    „Na und, verdammt?“ murmelte ich.
    „Komm schon“, wiederholte er mit einem Seitenblick auf Annette. „Sei ein bißchen anständig. Es wird dir ja nicht weh tun, wenn du einmal jemandem hilfst.“
    Wenn ich an diesen Nachmittag zurückdenke, dann sehe ich jetzt, daß er für Charlesworth und mich einen Meilenstein darstellte. Keiner von uns beiden war danach mehr ganz derselbe, und auch unser Verhältnis war nicht mehr dasselbe. Wir gewannen an Wissen, und wir verloren unsere Unschuld. Charlesworth lernte, was Liebe bedeutet, und ich lernte, was Verrat bedeutet. Damit verloren wir das einfache Vergnügen, und das Verhältnis zwischen ihm, mir und den Schiffen wurde komplexer. Ich glaube, wir verloren unser Vertrauen.
     
    Das Trio Charlesworth, Annette und die Parakatze wurde in den darauffolgenden Wochen, als die Schule zu Ende ging und die langen Sommerferien sich strahlend vor uns ausdehnten, zu einem vertrauten Anblick in den Straßen von Pacific Northwest. Ich weiß, daß die Erwachsenen es genossen, die beiden zusammen zu sehen; sie fanden, es sei ein unschuldiger und reizender Anblick. In Wirklichkeit waren die Erwachsenen die Unschuldigen; ich allein wußte – weil Charlesworth es mir anvertraut hatte –, wie er seine Nächte schlaflos verbrachte, schwitzend vor Lust, mit Visionen von Annette in seinen Phantasien.
    Vergebens natürlich; er bekam nichts von ihr – bis auf die Erlaubnis, an ihre Fersen geheftet hinter ihr herzutrotten, im Verein mit der Parakatze, und dabei eine Hingabe zur Schau zu tragen, für die selbst das Tier zuviel Selbstachtung besaß. Charlesworth machte sich in jenem Sommer uneingeschränkt zum Narren.
    Gelegentlich tauchte er noch, verlegen grinsend, am Beobachtungspunkt auf. Ich nehme an, das waren die Tage, an denen Annette sich frisieren ließ. Dann boxte er mich auf den Bizeps und nannte mich „Mann“, und er versuchte so zu tun, als sei nichts geschehen – genau wie ich –, aber wenn die Zeit verging, wurde er unruhig, und ich ertappte ihn, wie sein Blick über das Buschgelände hinweg zur Stadt streifte. Er hoffte, Annette würde herkommen, aber das tat sie selten. Der entsetzliche Lärm einer Landung in nächster Nähe war zuviel für ihre empfindsamen Nerven.
    In diesen Wochen veränderte sich seine Haltung auch noch in einer anderen Hinsicht. Zuerst war er stolz auf das, was er für seine Eroberung hielt, und da enthüllte er mir auch das mit seinen lasziven Nächten, aber nach ein paar Wochen war sogar ihm klar, daß Annette der Eroberer war, und langsam bekam er eine geplagte Galgenmiene, wie ein Kind, das man bei einer Missetat erwischt hat.
    Im selben Maße, wie es mit Charlesworth bergab ging, so blühte Annette LaRouge auf, wie ein Vampir. Als die Sommerferien anfingen, gestattete man ihr, sich einen individualistischeren Kleidungsstil zuzulegen, und diese Möglichkeit schöpfte sie voll aus, mit Absätzen wie Stelzen, gepolsterten BHs, Röcken, die keine mehr waren, und einem juwelenbesetzten Halsband für die Parakatze. Sogar ich mußte zugeben, daß sie ziemlich gut aussah, aber in diesem privaten Geständnis lag kein Neid auf Charlesworth. Ich hatte Angst vor ihrer Macht, Angst vor dem, was sie mit Charlesworth machte, und ich war froh, daß ich damit nichts zu tun hatte.
    Gelegentlich traf man das Kaninchengesicht von Rita Coggins in der Cafeteria; sie war dann stets allein und starrte trostlos in die Tiefen einer Cola. Man hatte sie fallengelassen, weil sie ein bloßes Anhängsel war; anders als Charlesworth – der war eine echte sexuelle Eroberung, und womöglich Annettes erste.
    Pacific Northwest war ein Maelstrom heranwachsender Emotionen in jenem Sommer.
     
    Der Tunnel war immer noch da, wenn auch kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte; aber als ich die Stufen hinuntersteigen wollte, fand ich meinen Weg von Wasser versperrt, das sich schwarz vor mir von der dritten Stufe bis an die geneigte Decke erstreckte. Ich hatte gehofft, ich könnte unten die Wände in Augenschein nehmen, um zu sehen, ob die Graffiti noch vorhanden waren,
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