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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman
Autoren: Michael Crichton
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schließlich auch an eine Episode, die sich Ende Mai 1854 in Pierce’ Haus zugetragen hatte. Pierce habe damals ein Abendessen für acht Herren gegeben. Die Konversation habe sich hauptsächlich um den Vorschlag gedreht, in London eine Untergrundbahn zu bauen. Fowler hatte sich dabei gelangweilt und war enttäuscht gewesen, als beim Brandy im Rauchsalon immer noch darüber gesprochen wurde.
    Dann wandte sich die Unterhaltung der Cholera zu, die seit kurzem in einigen Teilen Londons epidemisch auftrat. Der Disput über die Vorschläge Mr. Edwin Chadwicks von der Gesundheitsbehörde, der ein neues Abwässersystem sowie eine Reinigung der stark verschmutzten und vergifteten Themse gefordert hatte, langweilte Mr. Fowler noch mehr.
    Mr. Fowler wußte überdies aus zuverlässiger Quelle, daß der alte Chadwick bald seines Amtes enthoben werden würde, doch hatte man Fowler zu strengstem Stillschweigen verpflichtet. Er trank seinen Kaffee mit einem Gefühl zunehmender Ermüdung und spielte sogar mit dem Gedanken aufzubrechen, als der Gastgeber, Mr. Pierce, sich bei ihm erkundigte, wie es sich mit dem kürzlich unternommenen Versuch, aus einem fahrenden Zug eine Sendung Gold zu rauben, verhalten habe.
    Es war nur natürlich, daß Pierce sich mit dieser Frage an Fowler wandte, denn Henry Fowler war der Schwager Sir Edgar Huddlestons von der Huddleston & Bradford-Bank in Westminster. Mr. Fowler war Generaldirektor dieses prosperierenden Unternehmens, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1833 auf Devisengeschäfte spezialisiert hatte.
    Es war eine Zeit, in der England im Welthandel eine überragende und beherrschende Rolle spielte. In England wurde mehr als die Hälfte des Kohlebedarfs der Welt gefördert. In England wurde mehr Roheisen erzeugt als in der gesamten übrigen Welt. Das Land stellte drei Viertel aller Baumwollstoffe der Welt her. Der Außenhandel Englands wurde auf 700 Millionen Pfund Sterling jährlich geschätzt, zweimal soviel, wie die Hauptkonkurrenten des Landes vorweisen konnten, die Vereinigten Staaten und Deutschland. Das britische Empire war das größte Imperium der Weltgeschichte und dehnte sich noch immer aus, bis es in der Zeit seiner Hochblüte fast ein Viertel der Erdoberfläche und ein Drittel der Weltbevölkerung umfaßte.
    So wurde London auch für ausländische Wirtschaftsinteressen zum natürlichen Finanzzentrum. Die Londoner Banken blühten und gediehen. Henry Fowler und seine Bank profitier ten ebenfalls von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, und die mit Vorrang betriebenen Transaktionen in fremden Währungen brachten noch zusätzliche Geschäfte. Nachdem England und Frankreich vor zwei Monaten, im März 1854, Rußland den Krieg erklärt hatten, wurde die Firma Huddleston & Bradford beauftragt, die Besoldung der britischen Truppen auf der Krim abzuwickeln. Es war eine solche Sendung mit Gold für die kämpfende Truppe, auf die vor kurzem ein Anschlag versucht worden war.
    »Ein lächerliches Unterfangen«, erklärte Fowler in dem Bewußtsein, hier für die Bank zu sprechen. Die anderen Männer im Raum, die jetzt an ihren Zigarren zogen und Brandy tranken, waren Herren von Namen und Rang, die über weitreichende Verbindungen verfügten. Deshalb fühlte sich Mr. Fowler verpflichtet, jeden Verdacht, die Bank könne nachlässig gehandelt haben, sogleich im Keim zu ersticken. »Ja, in der Tat«, sagte er, »ein lächerliches und amateurhaftes Unterfangen, das auch nicht die geringste Aussicht auf Erfolg hatte.«
    »Der Übeltäter ist dabei ums Leben gekommen?« fragte Mr. Pierce, der ihm gegenübersaß und seine Zigarre paffte.
    »Gewiß doch«, erwiderte Mr. Fowler. »Der Wachmann hat ihn aus dem fahrenden Zug geworfen. Bei der Geschwindigkeit muß der Aufprall ihn sofort getötet haben.« Er fügte hinzu:
    »Armer Teufel.«
    »Hat man ihn identifiziert?«
    »Oh, das kann ich mir nicht gut vorstellen«, sagte Mr. Fowler. »Bei einem solchen Abgang dürften seine Gesichtszüge kaum noch erkennbar gewesen sein. Es hieß einmal, sein Name sei Jack Perkins gewesen, aber man weiß nichts Genaues. Die Polizei hat kein großes Interesse an der Sache gezeigt, was ich übrigens nur für klug halte. Das ganze Unternehmen war die reinste Stümperei und hatte nicht die geringste Aussicht auf Erfolg.«
    »Man darf wohl annehmen«, sagte Pierce, »daß die Bank alle nur denkbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte.«
    »Mein lieber Freund«, entgegnete Fowler, »Sie sagen es! Beträchtliche
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