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Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Autoren: Penny Jordan
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miteinander verwob und ihr Leben zu etwas Besonderem machte. Amber vermisste die beiden schrecklich. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie glücklich ihre Eltern sich an jenem Tag, der ihr Todestag werden sollte, zu der politischen Demonstration aufgemacht hatten. Ihre Mutter hatte sie liebevoll geküsst, und ihr Vater hatte sie ungestüm wie immer in die Arme geschlossen und herumgeschwenkt, bis ihr vor Entzücken ganz schwindelig gewesen war.
    Die beiden hatten so voller Leben gesteckt, dass es selbst jetzt noch Momente gab, in denen Amber kaum glauben mochte, dass sie tot waren.
    Und dann hatte ihr die Großmutter ganz kalt die Nachricht vom Tod ihrer Eltern überbracht. Später hatte ihr Cousin Greg ihr einen Zeitungsartikel zugesteckt, in dem darüber berichtet wurde, wie der Fußboden des Gebäudes eingebrochen war und ihre Eltern und sechsundzwanzig weitere Menschen, die sich für die Sache der Arbeiter einsetzten und höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen forderten, in den Tod gerissen hatte.
    Amber trat vom Fenster weg und ging zurück an den Schreibtisch, wo sie auf den Entwurf blickte, an dem sie gerade arbeitete, einem verschlungenen Muster in Mauve und Silber in Form eines keltischen Knotens, das einmal einen Stoffrand zieren sollte.
    Ihr Vater, ein russischer Emigrant, war ein begnadeter Stoffdesigner gewesen. Er hatte für eine kleine Seidenmanufaktur in London gearbeitet, als er ihre Mutter kennenlernte und sie sich ineinander verliebten. Gegen den ausdrücklichen Wunsch der Großmutter waren sie dann zusammengekommen.
    Von der Liebesgeschichte ihrer Eltern konnte Amber gar nicht genug bekommen. Sie erinnerte sich daran, wie sie im Bett gesessen hatte, während ihre Mutter ihr mit der antiken Silberbürste das lange, goldblonde Haar bürstete und ihr dabei erzählte, wie sie Ambers Vater kennengelernt hatte.
    Sie hatten eine Stoffmesse in London besucht, ihr Vater als Designer, ihre Mutter als Vertreterin von Denby Mill, der berühmten Seidenfabrik in Macclesfield, die Ambers Großmutter Blanche gehörte.
    Seide sei der Faden, der sie miteinander verband, hatte ihre Mutter oft zu Amber gesagt, Seide sei der stärkste und beste aller Fäden, rein und stark wie die Liebe selbst.
    Ambers Vater hatte zu den ersten Vertretern einer neuen Generation avantgardistischer Designer gehört, und ihre Mutter war nicht müde geworden zu erzählen, wie sehr seine Arbeiten gerühmt wurden.
    Die Eltern hatten gehofft, Amber würde in seine Fußstapfen treten, das hatten sie immer wieder gesagt. Sie hatten ihrer Tochter den leidenschaftlichen Wunsch mit auf den Weg gegeben, Seide und Design so miteinander zu verschmelzen, dass am Ende nicht bloß Stoffe entstanden, sondern Kunstwerke. Das war ihr Vermächtnis an ihre Tochter, und Amber war fest entschlossen, ihr Andenken zu ehren, indem sie ihren Traum verwirklichte.
    Vom ersten Augenblick, da sie einen Bleistift halten konnte, vom ersten Moment, da sie das Konzept von Schönheit und Design begreifen konnte, hatte Ambers Vater sie unterrichtet und angeleitet, so wie ihre Mutter ihr beigebracht hatte, die einzigartige Herrlichkeit der Seide zu erkennen.
    Während andere Kinder sich mit langweiligem Unterricht herumschlugen, lehrten Ambers Eltern sie die Geschichte der Seide, und mit ihr die Geschichte des Lebens: Seide verwob viele Kulturen und Gesellschaften miteinander, legte weite Reisen durch Wüsten und über das Meer zurück und rief in den Menschen die leidenschaftlichsten Empfindungen hervor, von der Liebe bis zur Habgier.
    Am liebsten hörte Amber die Geschichte, wie das Geheimnis der Seidenherstellung nach Europa gekommen war: Zuerst, hieß es, seien die Eier des Seidenspinners nach Khotan geschmuggelt worden, verborgen im Kopfputz einer chinesischen Prinzessin, die einen Prinzen von Khotan geheiratet hatte.Von dort waren sie nach Byzanz gelangt, wo Kaiser Justinian zwei Mönche damit beauftragt hatte, nach Khotan zu reisen und dort das Geheimnis der Seidenraupenzucht zu stehlen. Die Mönche waren zunächst mit den Samen des Maulbeerbaums zurückgekehrt und hatten die Brut des Seidenspinners später im hohlen Bambusrohr ihrer Pilgerstäbe transportiert.
    »Schau nur, wie dies das Leben spiegelt«, hatte Ambers Mutter zu dem kleinen Mädchen auf ihrem Schoß gesagt, während sie ein Stück kostbarer Seide durch die Hand der Kleinen gleiten ließ. »Seide läuft einem wie Wasser zwischen den Fingern hindurch, doch wenn man sie anspannt, zeigt sie
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