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Der Gewinner Geht Leer Aus

Der Gewinner Geht Leer Aus

Titel: Der Gewinner Geht Leer Aus
Autoren: Richard Stark
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repariert einen Abfluss«, sagte sie.
    »Ich will doch nur kurz nachsehen, ob er da ist. Vielleicht geht es ihm nicht gut.«
    Sie seufzte selbstmitleidig. »Na gut. Einen Moment.«
    Sie bat ihn nicht herein, sondern schloss die Tür, und er wartete auf dem Korridor, bis sie wieder erschien – sie hatte inzwischen Turnschuhe und eine lavendelfarbige Strickjacke angezogen. Die Zigarette in ihrem Mundwinkel war verschwunden, doch die hinter dem Ohr war noch da. »Kommen Sie«, sagte sie.
    Der Aufzug war alt und langsam und ein wenig zu klein.Ächzend fuhr er in den dritten Stock. Die Frau ging durch den sauberen grauen Korridor voraus zur dritten dunkelbraunlackierten Metalltür auf der linken Seite. »L« stand darauf. Der Halter für das Namensschild war leer.
    Sie schloss die Tür auf, steckte den Kopf hindurch und rief: »Mr. Charov?« Sie lauschte, drehte sich um und schüttelte den Kopf. »Er ist nicht da.«
    »Wir müssen nachsehen«, sagte Parker.
    Verärgert, weil er so viel ihrer Zeit in Anspruch nahm, sah sie ihn mit gerunzelter Stirn an und zuckte die Schultern. »Aber wir werden nichts anfassen«, sagte sie.
    Sie traten in eine kleine, schmale Diele mit einem Einbauschrank zur Linken und dann in ein kleines Wohnzimmer mit zwei zur Straße gelegenen Fenstern in der gegenüberliegenden Wand und zwei geöffneten Türen rechts und links. Die linke führte zum Schlafzimmer, an das sich das Badezimmer anschloss, die rechte in die Küche. Die Wohnung war vom Vermieter unpersönlich möbliert; nur wenige Gegenstände deuteten darauf hin, dass Charov hier wohnte. Es war niemand da.
    »Wie ich gesagt habe«, bemerkte die Frau. »Er ist im Stau steckengeblieben.«
    »Ich werde auf ihn warten«, sagte Parker.
    »Aber nicht hier«, sagte die Frau. »Ich weiß, ich weiß, Sie sind sein Bruder, aber trotzdem können Sie nicht hierbleiben. Das Wetter ist schön – Sie können sich auf die Treppe vor dem Eingang setzen.«
    »Gut«, sagte Parker.
    Sie wandten sich zur Wohnungstür. Parker ging voraus, hielt der Frau die Tür auf und drückte im Hinausgehen auf den Knopf, der das Schloss entriegelte.
     
    In allen Zimmern waren Waffen versteckt, kleine, leichte .22er, dazu geschaffen, in kleinen Räumen wie diesen jede Auseinandersetzung ein für allemal zu beenden. Sie steckten in Haltern unter Stühlen, hinter der Toilette und unter dem Bett.
    In einer Dose Orangensaftkonzentrat, die im Kühlschrank stand, fand er zwölftausend Dollar in zusammengerollten Zwanzigern und Fünfzigern. Unter dem Futter eines Koffers im Schlafzimmerschrank waren russische, ukrainische und weißrussische Pässe mit Charovs Gesicht, aber anderen Namen. Unter den Socken in der obersten Kommodenschublade lag ein großer brauner Briefumschlag, der Charov an diese Adresse zugestellt worden war; die aufgedruckte Absenderangabe lautete: »Cosmopolitan Beverages, Bayonne, New Jersey«. Was immer der Umschlag enthalten hatte, war nicht mehr da. Statt dessen hatte Charov darin seine Papiere aufbewahrt: eine amerikanische Aufenthaltserlaubnis, Dokumente, aus denen hervorging, dass er Angestellter von Cosmopolitan Beverages war, einem Importeur russischer Alkoholika, sowie ein undatiertes Aeroflot-Ticket erster Klasse von New York nach Moskau.
    In der Ecke des Spiegels über der Kommode steckten drei Farbfotos, auf denen vermutlich seine Familie in Moskau zu sehen war: eine freundlich blickende rundliche Frau, drei Söhne im Teenageralter und ein großer schwarzbrauner Hund, der wie eine Mischung aus einem Wolf und einem deutschen Schäferhund aussah; sie standen im Sonnenlicht vor einem großen, komfortabel wirkenden, aber nicht sonderlich ausgefallenen Vororthaus.
    Auf dem Nachttisch war ein Telefon mit Anrufbeantworter, dessen rotes Blinklicht anzeigte, dass zwei Nachrichten vorlagen. Parker drückte die entsprechende Taste und hörteeine gutturale Stimme, die einen kurzen, knappen Satz in einer Sprache sagte, bei der es sich wohl um Russisch handelte. Die zweite sprach englisch und stammte von jemandem, der vorsichtig, nervös und ein wenig ängstlich klang: »Charov? Sind Sie da? Ich dachte, Sie wollten sich bei mir melden. Es ist doch alles in Ordnung, oder? Ich habe das Geld bereit. Rufen Sie mich an, und sagen Sie mir, wie es gelaufen ist.«
    Der Auftraggeber. Zu ängstlich oder nervös, um seinen Namen zu nennen.
    Parker spielte die Nachricht noch einmal ab. Die Stimme klang beinahe, aber eben nur beinahe vertraut. Er hörte sie sich ein
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