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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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zu.
    »Wo ist Martino?« Brenski packte Francés' Arm.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wo ist der Kerl?«
    Bull hob die Schultern. »Eben noch ist er quietschvergnügt im Bach rumgekrochen.«
    »Wo ist sein Gewehr?«
    »Hier.«
    Brenski schnallte das Koppel ab, übergab es mit der Pistole und der Kartentasche Bull.
    »Was willst du tun, General?« Aber in Bulls spöttischer Frage steckte ein alarmierter Unterton.
    »Er ist weg. Abgehauen. Den Bach rauf zum Kloster.« Jetzt wußte Brenski es. Jetzt war er ganz sicher. Die verdammte Schafherde zur rechten Seite. Die Raben, die über ihnen gekreist waren, die verdammte schwarze Katze, die ihm über den Weg lief.
    Martino. Ihr Judas.
    Brenski sprang in den Bach, den Dolch zwischen den Zähnen, begann zu schwimmen. Bald wurde das Wasser seicht, und er sah deutlich die Abdrücke von Stiefeln.
    Martinos Stiefel.
    Heilige Mutter von Toledo. Nur das nicht. Wenn er nur nicht schon auf und davon war.
    Weiden am Bach. Überhängende Zweige, das Gesicht darunter.
    »Martino!«
    Dieser grinste, bleckte die Zähne. Er schwang sich auf die Böschung des Bachs. Brenski war bei ihm, stieß ihn zu Boden.
    Die Regulares mußten das vom Kloster aus sehen. Der Lump, der verdammte.
    Martino trat ihm im Liegen zwischen die Beine.
    »Du Hurenhund«, zischte Brenski.
    »Ich hab' genug. Bis hier genug!«
    »Du gehst nicht rüber zu den Faschisten, Martino!«
    »Willst du mich daran hindern?« Auch Martino hatte jetzt einen Dolch in der Hand. »Wenn ich denen sage, was ich weiß, kriege ich sogar noch einen Orden.«
    Brenski kroch schweigend auf ihn zu. Sie lagen sich gegenüber.
    »Na, wie wär's? Komm mit, Brenski, drüben finden sie auch für dich einen Platz. Die haben ja ganz reguläre deutsche Soldaten drüben. Die Legion Condor. Wie wär's?« Martino grinste.
    Brenski kroch näher. Er mußte es riskieren, sonst war alles verloren.
    Er sprang auf, warf sich über Martino. Sie rollten über den Boden, durch das hohe Gras, dann bekam Brenski Martinos Kehle zu fassen, stieß mit dem Dolch zu und schnitt ihm den Hals bis zum Rückgrat durch. Eine Fontäne von Blut spritzte ihm ins Gesicht, das ihm momentan die Augen verklebte. Er schleppte den Toten zum Bach, rollte ihn ins Wasser. Ihn vor sich her stoßend und schiebend, erreichte er schließlich die Stellung am Korkeichenhain.
    Die Männer des Kommandos blickten ihn an, blickten den Toten an, und dann schauten sie weg.
    Es war die Seuche der Republikanischen Armee, die große Pest – das Überlaufen.
    Bull spuckte aus und warf Brenski sein Koppel mit der Pistolentasche hin. Dann stieg er ins Wasser, schnitt die Hose Martinos auf, trennte ihm mit einem einzigen Streich die Hoden ab und stopfte sie ihm in den weit aufgesperrten, schon halb erstarrten Mund.
    »Válgame Dios!« murmelte Francés und bekreuzigte sich.
    Gino küßte sein Medaillon und begann hysterisch zu weinen. Er legte ihm den Arm um die Schultern. Martino war Ginos bester Freund gewesen.
    Als Gino sich die Tränen abgewischt hatte, fragte er: »Wann greifen wir an?«
    »Bald genug.«
    »Ich will mir zehn kaufen, zehn von den Verführern, denen Martino erlegen ist.«
    »Die Nacionales haben nichts damit zu tun, wenn einer zum Verräter wird«, sagte Brenski. »Der Verrat liegt im Blut. Wenn er drinsteckt, kommt er eines Tages raus.«
    Wann kommt er bei mir raus? dachte er. Wenn die Parolen nicht mehr wirken, mit denen ich mich selbst wie mit Drogen vollgestopft habe?
    Er ballte seine Rechte zur Faust. Es waren keine Parolen, es war seine Überzeugung.
    Etwas muß der Mensch tun.
    Francés berührte seine Schulter.
    »Ein neuer Funkspruch, Sergeant, vom Bataillon.«
    Das Bataillon, das waren ein halbes Hundert Genesende, Krüppel und ein anderes halbes Hundert Verwundete. Das, was vom Bataillon noch unversehrt übriggeblieben war, das lag hier am Bach der drei Wege.
    Brenski kroch zurück, streifte sich die Kopfhörer über, befestigte das Mikrofon.
    »Hier Paradiesvogel, ich höre.«
    »Paradiesvogel, hier spricht Geierkralle.« Der Kommandeur, ein Major der Reserve, der mit seinem Haufen von Krüppeln, Verwundeten und Brigadisten kämpfte, als sei es wirklich noch ein Bataillon. Major Juan Vegas, früher Reitlehrer für die Dämchen reicher Großgrundbesitzer, dann, von einem Tag zum anderen, Sozialhelfer in den verdreckten, verhungerten, verlausten und verhurten Vorstädten von Barcelona, verwitwet, mit den Söhnen auf der anderen, der faschistischen Seite.
    »Hören
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