Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der General von Dorsai

Der General von Dorsai

Titel: Der General von Dorsai
Autoren: Gordon R. Dickson
Vom Netzwerk:
diese Zeit gewesen, und der letzte Schein der untergehenden Sonne war schräg durch die hohen Fenster auf die nackten, glattpolierten Wände und auf die Massivbilder berühmter Schlachten gefallen, die darin eingelassen waren. Er sah es deutlich vor sich. Er stand inmitten der Reihen seiner Klassenkameraden, zwischen den harten und niedrigen Bänken. Um ihn herum ertönte ein Konglomerat aus männlichen Stimmen, eine Skala, die von den hohen Stimmen der jungen Kadetten bis hin zum tiefen Baß der Offiziere weiter hinten reichte. Und sie alle sangen die feierlichen und ernsten Weisen des Schlußchorals – jenes Liedes, das überall dort, wo Menschen weilten, als die Dorsaihymne bekannt war und deren Worte in einer etwas anderen Form vor acht Jahrhunderten von einem Mann namens Kipling niedergeschrieben worden waren.
     
    … Fernab der Heimat, unsere Schiffe in Flammen,
    Und auf Düne und Kap verglüht der Mythos.
    Siehe! All unsere Pracht, nun vergangen,
    Ist eins mit Ninive {1} und Tyrus {2} .
     
    Und er erinnerte sich, wie sie während der Trauerfeier gesungen worden war, nachdem man die Asche seines jüngsten Onkels vom verbrannten Schlachtfeld von Donneswort auf Freiland, dem dritten Planeten im Arkturussystem, zurückgebracht hatte.
     
    … Dem heidnischen Herzen, dessen Vertrauen
    In Feuer glüht und hinter finsteren Mauern.
    Der Tapferen Staub, der wehet im Sande,
    Und über dich wacht, an des Ewigkeiten Strande.
     
    Und er hatte mit den anderen gesungen und wie jetzt dem Echo der Schlußworte gelauscht, die in den innersten Tiefen seines Herzens widerhallten.
     
    … Dem wütenden Stolz und des Narren Spott,
    Dein Erbarmen für Deine Jünger, Gott!
     
    Ein frostiger Schauer rann seinen Rücken hinab. Die Verzauberung war vollkommen. In der Ferne am Horizont verglühte der rötliche Schein der Dämmerung, und der letzte Schimmer ergoß sich über das ebene Land. Weit oben am Himmel kreiste der schwarze Punkt eines Falken. Doch hier am Zaun und an den hohen Hürden war er allein und wie befreit von der körperlichen Hülle. Es war, als sei er von einer durchscheinenden, transparenten Mauer umgeben, die ihn vom Universum selbst trennte: Er war der einzige Mensch in seinem privaten Kosmos, unberührbar, verzückt. Die bewohnten Welten und ihre Sonnen schrumpften und verblaßten vor seinem inneren Auge. Und er spürte die sirenenhafte, tödliche Verlockung jenes Ozeans, dessen Wogen aus geheimen und verborgenen Absichten bestanden und die ihm sowohl Erfüllung als auch endgültiges Nichts versprachen. Er stand am Ufer dieses Meeres, und die Wellen umschmeichelten seine Füße. Und wie immer war er nahe daran, sich in Bewegung zu setzen, sich den unauslotbaren Tiefen zu übergeben und nie wieder zurückzukehren. Doch ein kleiner Teil seines Selbst protestierte gegen diese Selbstaufgabe und hielt ihn zurück.
    Dann plötzlich – so übergangslos, wie er gekommen war – brach der Bann. Donal wandte sich um und ging heim.
    Als er zum Vordereingang kam, wartete dort bereits sein Vater auf ihn. Er saß in seinem Rohrstuhl, im Halbdunkel fast verborgen, und seine breiten Schultern ragten über das dünne Metallrohr der Rückenlehne hinaus.
    „Sei willkommen in diesem Haus“, sagte sein Vater und erhob sich. „Besser, du vertauschst diese Kadettenuniform mit der Kleidung eines Mannes. Das Abendessen wird in einer halben Stunde aufgetragen.“

 
Mann
     
    Nachdem sich die Frauen und Kinder zurückgezogen hatten, versammelten sich die Männer des Haushalts Eachan Khan Graeme bei einem Drink an der langen und glänzenden Tafel des Eßtisches. Der Raum war groß und nur matt erleuchtet. Nicht alle waren anwesend, und es hätte an ein kleines Wunder gegrenzt, wäre das jemals der Fall – zumindest in dieser Welt. Von sechzehn erwachsenen Männern nahmen neun an den verschiedensten Kriegen zwischen den Sternen teil, einer wurde in der Klinik von Foralie mit komplizierten Operationen reorganisiert, und der Älteste, Donals Großvater Kamal, hauchte in seinem Hinterzimmer des Haushalts langsam das Leben aus: mit einer Sauerstoffmaske und dem schwachen Duft des Lorbeerflieders, der ihn an seine nun seit vierzig Jahren verstorbene Frau Maran erinnerte. Fünf Männer saßen jetzt am Tisch – und seit drei Uhr nachmittags, seit seiner bestandenen Abschlußprüfung, gehörte Donal zu ihnen.
    Bei den vier anderen, die zugegen waren, um ihn als erwachsenen Mann in ihre Runde aufzunehmen, waren sein Vater Eachan, dann sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher