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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene
Autoren: John Grisham
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verdiente auf diese Weise dringend benötigtes Geld. Sie kannte Gore gut. Als sie in dieser Nacht Feierabend machte, sah sie Debbie hinter dem Lenkrad ihres Autos sitzen. Gore kauerte vor der offenen Tür auf der Beifahrerseite. Sie unterhielten sich auf eine offenbar zivilisierte Weise. Alles schien in Ordnung zu sein.
    Gore, der kein eigenes Auto besaß, hatte sich von einem Bekannten namens Ron West zum Coachlight mitnehmen lassen. Als sie gegen halb zwölf eingetroffen waren, hatte West Bier bestellt und sich mit seinem Glas an einen Tisch gesetzt, während Gore eine Runde durch den Laden machte. Er schien jeden zu kennen. Als die letzte Bestellung angekündigt wurde, zog West Gore am Ärmel und fragte ihn, ob er mit ihm mitfahren wolle. Gore bejahte, und West trat auf den Parkplatz hinaus, um auf ihn zu warten. Ein paar Minuten später kam Gore angestürmt und stieg ein.
    Da beide Hunger hatten, fuhr West zu Waffler, einem Lokal im Zentrum, wo sie ein Frühstück bestellten. West bezahlte, wie schon im Coachlight. Er hatte den Abend im Harold's begonnen, wo er ein paar Geschäftsfreunde gesucht hatte, stattdessen aber über Gore gestolpert war, der dort gelegentlich als Barkeeper und Discjockey arbeitete. Die beiden kannten sich kaum, doch als Gore fragte, ob West ihn zum Coachlight bringen könne, wollte dieser nicht Nein sagen.
    West war glücklich verheiratet und Vater zweier junger Töchter. Normalerweise trieb er sich nicht zu später Stunde in Bars herum. Er wollte eigentlich nach Hause, blieb aber in Gores Gesellschaft hängen, die ihn stündlich teurer kam. Als sie das Waffler verließen, fragte West Gore, wohin er wolle. Zum Haus seiner Mutter, antwortete Gore, sie wohne an der Oak Street, nur ein paar Straßen weiter nördlich. West kannte die Stadt gut und fuhr in diese Richtung, doch bevor sie die Oak Street erreichten, überlegte Gore es sich plötzlich anders. Nachdem er stundenlang mit West herumgefahren war, wollte er nun plötzlich laufen. Die Temperatur war eisig, es ging ein scharfer Wind. Eine Kaltfront näherte sich.
    West hielt in der Nähe der Oak Avenue Baptist Church, nicht weit entfernt von der Straße, wo Gore zufolge dessen Mutter wohnte. Gore sprang aus dem Wagen, bedankte sich für alles und ging in westlicher Richtung davon.
    Von der Oak Avenue Baptist Church waren es etwa eineinhalb Kilometer bis zu Debbie Carters Wohnung.
    Gores Mutter wohnte auf der anderen Seite der Stadt, mitnichten in der Nähe der Kirche.
    Gegen halb drei erhielt Gina Vietta, die noch einige Freunde zu Gast hatte, zwei Anrufe, beide von Debbie Carter. Beim ersten Telefonat bat Debbie Gina, sie mit dem Auto zu holen, weil in ihrer Wohnung ein Besucher sei, in dessen Gesellschaft sie sich unbehaglich fühle. Gina fragte, wer bei ihr sei. Das Gespräch wurde unterbrochen, unverständliche Stimmen und Geräusche ließen darauf schließen, dass um das Telefon gekämpft wurde. Gina war aufrichtig besorgt und fand die Bitte merkwürdig. Debbie hatte ein Auto - ein Oldsmobile Baujahr 1975 - und konnte an sich doch selbst fahren, wohin sie wollte. Als Gina ihre Wohnung gerade eilig verlassen wollte, klingelte das Telefon erneut. Es war Debbie, und sie sagte, sie habe ihre Meinung geändert. Bei ihr sei alles in Ordnung, Gina brauche sich keine Sorgen zu machen. Als diese erneut fragte, wer bei ihr sei, wechselte Debbie das Thema, ohne den Namen zu nennen. Sie bat Gina, sie am Morgen durch einen Telefonanruf zu wecken, damit sie nicht zu spät zur Arbeit komme. Eine seltsame Bitte, die Debbie noch nie geäußert hatte.
    Sie fuhr dennoch los, überlegte es sich unterwegs aber anders. In ihrer Wohnung waren noch Gäste. Es war sehr spät. Debbie Carter konnte gut allein auf sich aufpassen, und wenn ein Mann bei ihr war, wollte sie nicht stören. Irgendwann ging sie ins Bett, und ein paar Stunden später hatte sie vergessen, dass sie bei Debbie anrufen sollte. Am 8. Dezember hielt Donna Johnson um elf Uhr morgens vor Debbies Wohnung, um Hallo zu sagen. Bevor Donna nach Shawnee gezogen war - etwa eine Autostunde entfernt -, waren die beiden auf der Highschool eng befreundet gewesen. Donna war nach Ada gekommen, um ihre Eltern und ein paar Freunde zu besuchen. Als sie die schmale Außentreppe zu Debbies Wohnung über der Werkstatt hinauflief, hielt sie inne, nachdem ihr bewusst geworden war, dass sie auf Scherben trat. Die Scheibe des kleinen Fensters in der Tür war zerbrochen. Aus irgendeinem Grund kam ihr zuerst der
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