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Der Fürst der Dunkelheit

Der Fürst der Dunkelheit

Titel: Der Fürst der Dunkelheit
Autoren: Shannon Drake
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Heidi kam aus Boston. Nachdem sie sich im College angefreundet hatten, waren sie oft hierhergekommen, aber weder Heidi noch Deanna kannten die kleinen Eigenheiten und Schleichwege dieser Stadt so gut wie sie. Zuerst waren sie im Casino gewesen; dann musste sie den beiden jeden kleinen Laden im French Quarter zeigen, sämtliche Geschäfte, die nicht zu einer der Ketten gehörten. Jetzt war sie müde und wollte diese Sache nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    “Da”, sagte sie und zeigte einfach ins Blaue.
    Die Frau, die sie sich damit unwillkürlich ausgesucht hatte, saß an einem kleinen tragbaren Tisch mit Blick auf die Kathedrale. Sie schien älter zu sein als die drei Freundinnen, aber ihr genaues Alter war schwer zu sagen. Ihr Haar war mit einem Schal zurückgebunden, sie trug ein weißes Leinenhemd und einen Rock. Sie hatte strenge, aber wunderschöne Gesichtszüge, und der sanfte goldene Schimmer ihrer Haut verriet ihre multiethnische Herkunft. Im Moment sprach sie sehr ernst mit einem Mann, der ihr auf einem Stuhl gegenübersaß, und zeigte dabei auf die Tarotkarten, die sie vor ihm auslegte. Eher als im French Quarter des New Orleans der Gegenwart hätte sie auf einem europäischen Marktplatz während der Renaissance sitzen können. Hinter ihr stand ein kleines rotes Zelt, das auf ein mittelalterliches Schlachtfeld gepasst hätte. Darin war ein weiterer Tisch, bedeckt mit einem Tuch, auf dem der Mond und die Sterne abgebildet waren. Auf dem Tisch stand eine Kristallkugel.
    “Sie hat schon einen Kunden”, bemerkte Deanna.
    “Das dauert bestimmt nicht mehr lange.” Lauren zuckte die Achseln. Sie war nicht sicher, warum sie ausgerechnet auf diese Frau gezeigt hatte, aber nachdem es nun einmal geschehen war, fühlte sie sich plötzlich sehr entschlossen. Mit einem Mal ging ihr auf, dass sie doch wusste, wieso – sie hätte diese Frau gern gezeichnet. Ihr Gesicht war atemberaubend.
    “Wir können auch da drüben zu Madame Zorba gehen”, witzelte Heidi und deutete mit dem Kopf auf eine jüngere Frau gleich daneben.
    Lauren grinste. Bei Madame Zorba handelte es sich ganz eindeutig bloß um eine verkleidete Studentin. “Mir gefällt diese Frau hier.”
    “Die Straße hoch gibt es außerdem noch so einen gut aussehenden Zigeuner”, meinte Heidi.
    “Du bist doch verlobt”, frotzelte Deanna.
    “Schon gut, aber du und Lauren, ihr könntet mal wieder einen Kerl gebrauchen”, sagte Heidi.
    “Toll. Schönen Dank”, erwiderte Deanna.
    “Das fehlt mir gerade noch, ein Zigeuner”, sagte Lauren. Sie behielt das Lächeln im Gesicht.
Heidi, verdammt noch mal, du weißt genau, dass ich nicht auf der Suche nach einem Mann bin.
    “Du musst dich ja nicht gleich in ihn verlieben, ihn einpacken und mit nach Hause nehmen”, sagte Heidi zu ihr. Dann fügte sie sanft hinzu: “Aber du könntest dich doch mal verabreden. Ist schließlich schon über ein Jahr her.”
    “Danke für den Rat, Mom”, murmelte Lauren. Sie blieb stehen, erschauerte plötzlich, blickte nach oben. Der Nachthimmel war wolkenverhangen, und es war auf einen Schlag kühl geworden. Der Mond, dachte sie, scheint durch die Wolken dringen zu wollen, schafft es aber nicht. Sie verzog das Gesicht. Das war seltsam. Wo der Mond sein sollte, war nur ein rotes Glühen zu sehen.
    “Morgen könnte es Regen geben”, sagte sie.
    “Eigentlich soll es doch das ganze Wochenende schön bleiben”, meinte Deanna.
    Lauren hob die Schultern. “Sieh dir den Himmel an.”
    “Ach, na ja, ist vielleicht nur Smog”, erwiderte Deanna.
    “Hey, wir sind doch nicht in L. A.” Heidi lachte.
    “Was – heißt es bloß Abgase, wenn man in L. A. ist?”, wollte Deanna wissen.
    “Es ist nur ein zorniger roter Himmel”, murmelte Lauren mit einem Schaudern.
    Heidi stöhnte. “Großer Gott, wir sind noch gar nicht bei der Wahrsagerin gewesen, und schon redet sie poetisches Zeug über drohendes Unheil.”
    “Es sieht bloß so komisch aus”, sagte Lauren.
    “Ist der Wind nicht auch irgendwie seltsam?”, neckte Heidi.
    “Der ist tatsächlich ein bisschen kühl geworden”, erwiderte Lauren.
    “Na, Gott sei Dank.” Deanna atmete ein.
    “Wisst ihr was, wir könnten doch einfach noch was trinken gehen”, schlug Lauren vor.
    Heidi kicherte. “Der Typ ist fertig. Gehen wir.”
    Lauren seufzte ungeduldig. “Nur dass ihr’s wisst, ihr beiden seid diejenigen, die das unbedingt machen wollen. Ich will euch den Spaß nicht verderben, aber fürs Protokoll: Ich
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