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Der Fluch des schwarzen Ritters

Der Fluch des schwarzen Ritters

Titel: Der Fluch des schwarzen Ritters
Autoren: Thomas Brezina
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Handbewegungen, um sie zu beruhigen. Schließlich überwand sie sich und hielt sich an dem runden Holz fest. Der Clown gab ihr einen Stoß, und sie schwang in die Manege hinaus. Lieselotte wartete darauf, daß sie nun von hinten ein Arm packte und zurückzog. Doch der Arm kam nicht. Sie wollte nun Schwung holen und sich mit den Füßen auf dem Trapez einhängen, aber da bemerkte sie eine Bewegung unter sich. Sie blickte in die Manege und erkannte den Clown, der in Windeseile die Strickleiter hinuntergeklettert sein mußte.
    „He, was machst du da?“ rief sie ängstlich. „Nein!!! Nein!!!“ brüllte sie gleich darauf, denn der Clown löste den Hebel, mit dem das Fangnetz gespannt wurde, und es fiel zu Boden.
    „Bist du wahnsinnig?“ keuchte Lilo. „Spann das Netz wieder. Was... was...!“
    „Kein Wort! Du mußt schweigen! Du darfst es niemand sagen! Niemand! Wenn du es sagst, dann... dann...“ hörte sie eine hohe Fistelstimme. „Ich war es nicht! Wirklich nicht! Ich habe Alpträume! Ich sehe ihn immer wieder vor mir. Es war ein Scherz! Ich wollte nie, daß er es tut und springt.“
    „Das Netz“, flüsterte Lieselotte. Ihre Hände waren feucht, und sie bemerkte entsetzt, wie sie langsam ins Rutschen geriet. Lange konnte sie sich nicht mehr halten. Sie hatte Angst. Entsetzliche Angst. Wieder glitten ihre Fingerspitzen ein Stück weiter in die Höhe. Sie würde abstürzen und in die Zirkusarena fallen.
    „Schwöre, daß du nie ein Wort sagst! Schwöre es!“ flehte der Clown und schluchzte laut auf.
    „Ich... ich schwöre“, versprach Lilo. „Das Netz, wo bleibt das Netz?“ war ihr einziger Gedanke. Sie drehte den Kopf zur Seite und blickte nach unten. Es war noch immer nicht da.
    Ihre Hände wurden von Sekunde zu Sekunde feuchter, und sie rutschte und rutschte.
    Lilos Angst wuchs zu einem Monster, das mit riesigen Armen nach ihr griff und sie in die Tiefe zog. Es war aus! Alles war aus und vorbei! Alles! Das Mädchen versuchte in seiner Verzweiflung, die Finger noch ein Stück weiter nach oben zu bekommen, doch dabei rutschte ihre linke Hand ganz ab. Nun hing Lilo nur noch an den verkrampften Fingerspitzen der rechten Hand. Langsam glitt das glatte Holz des Trapezes darüber, und mit einem entsetzten Schrei sauste das Mädchen in die Tiefe.
    Der Schreck war für Lieselotte so groß, daß sie die Besinnung verlor. Rund um sie herrschte schwarze Nacht.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie über sich die blauen und weißen Streifen der Zirkuszeltplanen. Wo war Sie? War das das Jenseits?
    „Kind... Kind, was ist mit dir? Alles in Ordnung?“ Das bärtige Gesicht von Klaus Klabuster tauchte vor ihren Augen auf. Er strich Lilo über die Stirn und schob sanft einen Arm unter ihre Schultern. Vorsichtig hob er sie auf.
    „Ich liege ja im Netz“, fiel Lieselotte auf. „Wieso? Wer hat es gespannt?“
    Neben ihr war lautes und hemmungsloses Schluchzen zu hören. Sie drehte den Kopf und sah den Clown, dem die Perücke vom Kopf gerutscht war. Der graue, wollige Haarkranz von Flotzo war darunter zum Vorschein gekommen.
    „Jetzt kenne ich mich endgültig aus“, flüsterte Lilo. „Er hat Herbert Ritter nicht umgebracht. Das waren Sie!“ Sie blickte Klaus Klabuster lange und stumm an. „Sie haben es getan, aber... aber... Sie sind kein Mörder. Denn Sie sind Herbert Ritter!“

Die volle Wahrheit
     
     
    „Haltet mich für total bekloppt, aber ich komme nicht mehr mit!“ stöhnte Tante Fee. „Klaus Klabuster ist der verunglückte Herbert Ritter? Wie soll das möglich sein?“
    Lieselotte lag, noch etwas bleich, auf dem Kuschelsofa und begann zu erklären. „Mir ist bei Maggies Geschichte eines aufgefallen: Wenn Herbert Ritter angeblich so unsterblich in diese Isabella verliebt ist, wieso bekommt dann eine andere Frau ein Kind von ihm? Entweder hat die Frau gelogen, oder er ist tatsächlich ihr Freund und hält es nur vor den anderen geheim!“
    „Und, wie war es jetzt wirklich?“ wollte Axel wissen.
    „Herbert Ritter war mit Maggies Mutter sogar verheiratet. Doch davon hat niemand etwas geahnt. Er hat es nämlich streng geheimgehalten. Warum, das hat er nicht einmal seiner Frau verraten. Und als sie die Heimlichtuerei eines Tages satt hatte, da hat sie ihm mit der Scheidung gedroht. Doch Herbert Ritter besaß auf der einen Seite viel Gefühl, auf der anderen Seite war er ziemlich kalt. Ziemlich kalt war er gegenüber seiner Frau. Sein Herz gehörte nämlich dem Zirkus. Und nur dem Zirkus.
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