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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau
Autoren: Laura Walden
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der sie zu zerreißen drohte, verebbte.
    »Es ist natürlich Ihre Entscheidung«, sagte er leise, während er ihr ein Taschentuch reichte.
    Sie nahm es, wischte sich die Tränen ab und starrte regungslos aus dem Fenster, während der Wagen sich in Bewegung setzte. Doch dann durchfuhr sie eine verzweifelte Hoffnung, und sie flüsterte: »Aber, wenn es gar nicht meine Mutter war, die da im Wagen gesessen hat? Wenn alles verbrannt ist, haben wir doch gar keine Gewissheit. Dann könnte das doch irgendwer gewesen sein. Vielleicht klärt sich ja noch alles auf, und sie lebt!«
    Sie hörte den jungen Anwalt schwer atmen, bevor er einwandte: »Es gab einen Zeugen, der den Unfall beobachtet hat und beschwört, dass die Fahrerin Ihre Mutter war.«
    »Aber, wer, wer ist das? Und woher will er das so genau wissen?« Vor lauter Aufregung überschlug sich ihre Stimme.
    »Frau de Jong, wir fahren nachher zur Polizei. Dort wird man Ihnen sicher Einzelheiten über den Unfall mitteilen. Außerdem befinden sich dort die Sachen, die nicht verbrannt ...« Der Anwalt stockte und fuhr dann hastig fort: »Oder wollen Sie erst zur Polizei, bevor ich Ihnen in meinem Büro das Testament verlese?«
    Sophie war bei seinen Worten auf ihrem Sitz in sich zusammengesunken. Sie weinte stumm in sich hinein. »Nein, nein, wir fahren erst in Ihr Büro. Aber arbeiten Sie denn heute überhaupt? Am zweiten Weihnachtstag?«, fragte sie ungläubig.
    »Eigentlich nicht. Wir feiern Weihnachten im Grunde genommen sehr britisch. Nur dass wir uns bei der Hitze lieber unter Palmen setzen als unter einen Tannenbaum. Eigentlich beginnen jetzt unsere Sommerferien. Da haben die meisten Kanzleien ohnehin geschlossen, aber wir Singles halten die Stellung, während die Kollegen mit Kindern Urlaub machen. Wir sind also für Sie da, meine Partnerin und ich. Auch heute. Also sollten wir jetzt erst einmal in Ruhe im Hotel vorbeifahren, damit Sie Ihre Sommersachen anziehen können.«
    »Ich habe in dem Stress vergessen, welche einzupacken«, erklärte Sophie kläglich und putzte sich die Nase.
    »Das kann ich gut verstehen«, bemerkte John Franklin, warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu und fragte: »Sagen Sie, welche Schuhgröße haben Sie?«
    »Vierzig!« Was für eine merkwürdige Frage!
    Statt eine Erklärung abzugeben, wählte der Anwalt über seine Freisprechanlage eine Nummer. »Judith, bist du noch zu Hause? Sehr gut. Bring doch ein leichtes Sommerkleid mit ins Büro! Eines, auf das du bis morgen verzichten kannst. Und Sandalen in Größe vierzig. Danke!«
    Sophie war es sichtlich peinlich, wie sehr sich der junge Anwalt um ihr Wohl sorgte. Sie kannten einander doch gar nicht. Sophie hatte Probleme damit, wenn jemand ihr zu viel Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Sie war es gewohnt, ihre Angelegenheiten ohne fremde Hilfe zu regeln. »Ich werde versuchen, Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen«, brachte sie förmlich heraus und fügte hastig hinzu: »Ich habe nicht die Absicht, länger als unbedingt nötig zu bleiben. Wenn ich die Formalitäten erledigt habe, überführe ich meine Mutter nach Deutschland, damit sie dort beerdigt werden kann.« Sie sah den Anwalt an. Täuschte sie sich, oder runzelte er die Stirn? »Gibt es ein Problem?«, fragte sie.
    »Nein, nein. Kommen Sie erst mal an!«
    Sophie spürte an seinem Ton ganz deutlich, dass etwas nicht stimmte, beschloss jedoch, nicht nachzufragen. Sie lehnte sich stattdessen seufzend zurück und warf wieder einen Blick aus dem Fenster. Berge, Wiesen und Schafe rauschten vorbei.
    »Ich bedaure das alles unendlich«, sagte John Franklin plötzlich und fuhr zögernd fort: »Halten Sie mich bitte nicht für neugierig, aber wieso sprechen Sie so gut Englisch?«
    »Ich war auf einem englischen Internat«, gab Sophie zurück. »Aber jetzt habe ich eine Frage: Wie haben Sie vom Tod meiner Mutter erfahren?«
    »Sie hatte ein Papier in ihrer Handtasche, in dem ausdrücklich stand, dass man sich im Falle ihres Todes unbedingt zuerst an mich wenden solle.«
    »Merkwürdig«, entgegnete Sophie. »Warum sollte man sich nicht zuerst an mich wenden? An ihre Tochter? Und überhaupt, woher kannte meine Mutter in Neuseeland einen Anwalt, wo sie doch nie zuvor hier gewesen ist?«
    John Franklin fuhr zusammen und sah überrascht aus. »Oh Gott, wenn ich gewusst hätte, dass Sie völlig ahnungslos sind!«
    »Wie meinen Sie das?«
    John Franklin stieß einen Seufzer aus. Er schien sich sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen.
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