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Der Fall

Titel: Der Fall
Autoren: Brad Meltzer
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Zimmernummern folgte, konnte sie nicht umhin festzustellen, dass von jedem verfügbaren Haken und an fast jeder Garderobe in dem gewundenen Gang Plastiksäcke aus der Reinigung hingen. Kein gutes Zeichen, was die Freizeit in diesem Job anging, dachte sie, als sie Zimmer 727 erreichte. Die Zimmernummer war auf die Milchglasscheibe der massiven Eichentür gemalt. Der Schreibtisch im Vorzimmer war nicht besetzt. Da Sara keinen Grund sah zu warten, öffnete sie die Tür und trat ein.
    Ihr Büro war genau so, wie sie es erwartet hatte: ein großer Metallschreibtisch; ein Resopaltisch mit einem antiquierten Computer darauf; ein Kunstlederschreibtischsessel; zwei Metallklappstühle; zwei große Metallaktenschränke; ein Bücherregal voll mit New Yorker Statuten, Strafmaßbemessungsrichtlinien und anderen juristischen Regelwerken; und ein Kleiderständer mit einem Plastiksack mit Sachen aus der Reinigung an einem Haken. Ein typisches Behördenbüro.
    »Sara Tate, richtig?« Ein untersetzter junger Mann betrat den Raum.
    »Ja«, sagte sie. »Und Sie sind …«
    »Alexander Guff – PVA.« Als er Saras verständnisloses Gesicht sah, fügte er hinzu: »Prozessvorbereitungsassistent.«
    »Was heißt?«
    »Was heißt, dass ich alles tue, was Sie von mir verlangen. Zumindest bin ich Ihr Sekretär. Aber wenn Sie mich unter Ihre Fittiche nehmen wollen, bin ich Ihr Assistent, Ihre rechte Hand, Ihr Mann Freitag, der Jimmy Olsen Ihres Superman, der Watson Ihres Sherlock Holmes …«
    »Der Kapitän meiner Tennille?«
    »Ja, so in etwa«, erwiderte Guff lachend. Guff war klein und untersetzt und hatte krauses schwarzes Haar, das Sara an Putzwolle erinnerte. Sein rundes Gesicht und die Stupsnase wurden noch unterstrichen durch seine gebückte Haltung, die den Eindruck erweckte, als hätte er einen leichten Buckel. »Ich weiß, was Sie denken«, sagte Guff und schob die Hände in die Hosentaschen. »Aber ich habe keinen Buckel – das liegt nur an meiner Haltung. Ich bin ein nervöser Typ, und das ist der äußere Ausdruck meiner inneren Ängste. Und nur damit Sie’s wissen: Ich stecke gern die Hände in die Hosentaschen. So kann ich nämlich besser nachdenken.«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an«, sagte Sara achselzuckend.
    »Sehen Sie, ich kann jetzt schon sagen, dass ich Sie mag. Sie sehen es, Sie sagen es, Sie belassen es dabei. Das ist ein gutes Zeichen. Wir werden miteinander auskommen.«
    »Sind Sie immer so direkt?«, fragte Sara.
    »So bin ich nun mal. Manche Leute mögen das, andere vergrätze ich damit.«
    »Darauf läuft es also hinaus, hm?« Sara nahm an ihrem Schreibtisch Platz. »Ich bin der neue Boss, und Sie sind der gewitzte Assistent.«
    »Bin ich so leicht zu durchschauen?« Guff zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber.
    »Ich muss mir mein Urteil erst noch bilden. Sprechen Sie ruhig weiter.« Sie wollte ihn nach den Budgetkürzungen fragen, aber sie war sich noch nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte. Und sie hatte nicht vor, sich so schnell eine Blöße zu geben. »Wie lang leben Sie schon in New York?«, fügte sie hinzu, um mehr über ihn zu erfahren.
    »Erst, seit ich mit dem College fertig bin, was etwas mehr als zwei Jahre her ist. An sich würde ich lieber zu Hause bei meinen Eltern wohnen und etwas Geld sparen, aber ich befinde mich gerade mitten in einer Phase der Auflehnung gegen meine behütete Vergangenheit.«
    »Ach, tatsächlich?«, sagte Sara skeptisch. »Und wie machen Sie das? Indem Sie für die Staatsanwaltschaft arbeiten?«
    »Natürlich nicht. Ich mache das durch meine bloße Existenz. Ich meine, sehen Sie mich doch an! Mit dieser Haltung und dieser Frisur, kämen Sie da auf die Idee, dass mein Vater Arzt ist? Und meine Mutter Mitglied einer Fahrgemeinschaft?«
    »Du meine Güte. Sie hören sich ja an wie mein Mann.«
    »Dann ist der Ring also echt, hm?«
    »Schon sechs Jahre.« Sie klopfte mit ihrem Ehering aus Gold und Platin auf den Schreibtisch.
    »Das ist wieder mal mein sprichwörtliches Glück«, sagte Guff. »Die Guten sind alle schon vergeben. Ich schaffe es nie, jemanden kennenzulernen, der noch solo ist, keine Macke hat, meinen Futon nicht in Brand stecken will –«
    »Und auf behütete Anarchisten steht, die sich für viel rebellischer halten, als sie sind?«
    Guff ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken und lachte.
    »Nichts für ungut, Guff, aber die weibliche Bevölkerungshälfte hat sich nicht gegen Sie verschworen.«
    »Erzählen Sie das mal meiner
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