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Der Fall

Titel: Der Fall
Autoren: Brad Meltzer
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Sara.
    Dann küsste er sie – ein langer Kuss. »Du verpasst noch deine Haltestelle«, sagte sie und gab ihn frei. Die Türen der U-Bahn schlossen sich.
    »Keine Sorge«, sagte Jared. »Heute steige ich mit dir zusammen aus.«
    »Hast du im Gericht zu tun?«
    »Nein«, sagte er grinsend. »Ich möchte nur eine neue Joggingstrecke ausprobieren. Ich denke, ich fange am Gericht an und laufe in die Kanzlei zurück.«
    »Moment mal! Du willst dreißig Blocks mehr laufen, nur um mich zur Arbeit zu bringen?«
    »Es ist doch dein erster Tag.«
    Gegen ihren Willen musste sie lächeln. »Das ist doch nicht nötig.«
    »Ich weiß«, sagte Jared.
     
    Als die U-Bahn in der Franklin Street hielt, stiegen Sara und Jared aus und mischten sich unter die Schwärme von Pendlern, die New Yorks Straßen überfluteten. Der Septembermorgen war warm und hell und so sonnig, wie es die Skyline von Manhattan zuließ. »Alles klar?«, fragte Jared.
    »Alles klar«, sagte Sara. »Die werden Augen machen, was da auf sie zukommt.«
    »Na, siehst du – so gefällst du mir schon viel besser.«
    »Wenn ich noch aufgeregter werde, breche ich gleich noch einen Streit vom Zaun. Nur so zum Spaß.«
    »Okay, Liebling, aber nicht mehr als zwei pro Tag.«
    »Einverstanden«, sagte sie. »Das ist die oberste Grenze.« Jared gab ihr einen raschen Kuss, dann warf er der Frau, die er liebte, einen letzten Blick zu. Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatten ihn ihre dunkelgrünen Augen und ihre ausdrucksstarken Augenbrauen in den Bann geschlagen – er fand, sie machten sie auf eine unauffällige Art attraktiv. Es gefiel ihm auch, dass sie bis auf eine Spur Rouge kein Make-up trug. Noch in Gedanken an diesen Moment, wandte sich Jared ab und begann loszulaufen. »Alles Gute!«, rief er über seine Schulter, als er den West Broadway hinaufzutraben begann. »Und vergiss nicht: Du bist cleverer als alle anderen!«
    Sara, die ihren Mann zum Abschied winken sah, musste über seine Verrücktheit lachen. Und sie hatte sich noch keine Minute von ihm verabschiedet, als ihr bereits klar wurde, wie falsch er lag. Jetzt war Sara allein. Und die Schmetterlinge begannen zu flattern.
    Sie steckte sich eine widerspenstige Locke hinters Ohr und versuchte sich zu orientieren. Sie war der einzige Fixpunkt in einer Flut von Menschen, alle in dunklen Anzügen, alle mit Aktenkoffern, alle in Eile. Alles Anwälte, dachte sie. Sie biss die Zähne zusammen und schritt energisch in Richtung Centre Street los. »Töte die Schmetterlinge, töte die Schmetterlinge, töte die Schmetterlinge«, flüsterte sie sich zu.
     
    In dem trostlosen Ziegelbau in der Centre Street 80, in dem sich die Bezirksstaatsanwaltschaft Manhattan befand, steuerte Sara auf die Aufzüge im hinteren Teil des Gebäudes zu. Als sie den Gang aus dunklem Marmor hinunter schritt, drängten sich Scharen von Männern und Frauen in dunkelblauen Anzügen und Kostümen hektisch an ihr vorbei. Ein Mann mit einem Stapel Akten unter dem Arm rempelte sie an und ging einfach weiter. Eine Frau im Nadelstreifenkostüm hetzte ihm hinterher und rief: »Vergessen Sie nicht – um zwei haben wir die Anhörung im Fall Schopf!« Ein anderer Mann, der sich, einen kleinen Karren voller Akten vor sich herschiebend, einen Weg durch die Menge bahnte, rief: »Zu spät zur Verhandlung! Zu spät zur Verhandlung!« Einige wirkten mit ihren verquollenen Augen so übernächtigt, als hätten sie tagelang nicht geschlafen. Aber wenn einem irgendwelche Zweifel kamen, ob der Posten eines stellvertretenden Bezirksstaatsanwalts tatsächlich einer der meistgefragten Jobs war, brauchte man nur einen Blick auf die sechsmonatige Warteliste für ein Vorstellungsgespräch für diese Stelle zu werfen.
    Während Sara die zahllosen kleinen Opern beobachtete, die sich um sie herum abspielten, spürte sie, wie ihre Panik allmählich Erregung wich. Nach sechs langen Monaten war das Gesetz wieder einmal voller Leben. Das war der Grund, weshalb sie bei der Staatsanwaltschaft arbeiten wollte – ihre alte Anwaltskanzlei mit den Scharen von blasierten jungen Teilhabern in italienischen Anzügen hatte nie auch nur annähernd diese Vitalität gehabt. Für manche war es das reine Chaos. Aber für Sara war es das Gelbe vom Ei an dem Job.
    Im siebten Stock passierte Sara einen Metalldetektor und ging einen breiten Flur mit einem verblichenen blauen Einheitsteppich hinunter, der sie an ihre Highschool-Zeit erinnerte. Während sie auf der Suche nach ihrem Büro den
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