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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge
Autoren: Èmile Gabroriau
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Zettel fand sich.
    Â»Wie ist Ihre abschließende Meinung, Monsieur?« wollte Daburon wissen.
    Â»Im Moment tappe ich noch im dunkeln«, sagte Gevrol. »Der Kerl war gerissen und vorsichtig. Aber er wird meinen Leuten nicht entkommen. Er hat das Tafelsilber und den Schmuck mitgenommen – damit wird er sich verraten.«
    Â»Also«, stellte Daburon fest, »sind wir nicht weiter als bei unserer Ankunft.«
    Â»Wenn nur, zum Teufel, Vater Tabaret hier wäre«, sagte Lecoq leise; aber man verstand ihn doch. Und er registrierte mit Befriedigung den wütenden Blick, den Gevrol ihm zuwarf.
    Â»Wer ist dieser Vater Tabaret?« fragte Daburon.
    Â»Ein außergewöhnlicher Mann« gab Lecoq bereitwillig Auskunft.
    Â»Früher hat er in einer Pfandleihe gearbeitet«, sagte Gevrol. »Im Alter ist er wohlhabend geworden und beschäftigt sich in seiner Freizeit als Amateurdetektiv, so wie andere malen oder musizieren.«
    Â»Geht er dabei auf Gewinn aus?« fragte der Kommissar.
    Â»Im Gegenteil«, sagte Lecoq. »Seine Liebhaberei kostet ihn manchen Franc. Er ist mit allen Wassern gewaschen. Erinnern Sie sich noch an die Bankiersfrau, die sich selber bestohlen hat? Ihr ist Tabaret auf die Schliche gekommen.«
    Â»Und der arme Deréme hat es ihm zu verdanken, daß er wegen Mordes an seiner Frau auf die Guillotine kam, da er doch, wie sich später herausstellte, völlig unschuldig war«, warf Gevrol bissig ein.
    Â»Verschwenden wir nicht unsere Zeit«, unterbrach Daburon die beiden. »Holen Sie Vater Tabaret, Lecoq. Ich möchte, daß er uns hilft.«
    Lecoq machte sich sofort auf den Weg, während Gevrol gekränkt sagte: »Sie können hinzuziehen, wen Sie wollen, aber ...«
    Â»Ich will Ihre Fähigkeiten nicht bezweifeln. In diesem Fall aber sind wir unterschiedlicher Auffassung. Ich glaube nicht, daß Ihr Liebhaber mit der Bluse der Täter ist.«
    Â»Ich hoffe, es Ihnen zu beweisen. Darf ich Ihnen im übrigen einen Rat geben?«
    Â»Ja.«
    Â»Seien Sie vorsichtig gegenüber Vater Tabaret.«
    Â»Und warum?«
    Â»Der Alte ist nur darauf aus, Eindruck zu schinden. Er tut so, als könnte er sofort alles erklären, und er macht sich zu jedem Verbrechen eine Geschichte zurecht. Wie ein Paläontologe anhand eines einzelnen Knochens ein ganzes Tier rekonstruiert, hängt er eine Geschichte an einer Kleinigkeit auf. Manchmal hat er recht, oft genug aber geht er völlig in die Irre.«
    Â»Ich werde Ihre Worte beherzigen«, sagte Daburon. »Im Augenblick aber gilt es vor allem, den Herkunftsort von Madame Lerouge festzustellen.«
    Und also wurden noch einmal alle Zeugen vernommen, jedoch ohne Erfolg. Trotz ihrer Gesprächigkeit hatte die Frau nichts über ihr Vorleben laut werden lassen. Die Zeugen hatten nichts als Mutmaßungen zu bieten und waren in der Mehrzahl Gevrols Meinung, als Täter käme nur der Mann in der grauen Bluse in Frage, der so wild ausgesehen habe und von dem man wissen wollte, er habe eines Abends eine Frau bedroht und ein andermal ein Kind geschlagen.
    Daburon wollte schier verzweifeln über all dem ungereimten Zeug, als sich die Ladenbesitzerin aus Bougival meldete, bei der Madame Lerouge ihre Einkäufe machte, und dazu ein dreizehnjähriger Junge, der etwas beobachtet haben wollte. Die Ladenbesitzerin hatte die Witwe von einem Sohn sprechen hören.
    Â»Von einem Sohn?« fragte Daburon.
    Â»Eines Abends«, sagte die Frau, »war sie ein bißchen – na, sagen wir – angetrunken. Über eine Stunde blieb sie in meinem Laden. Sie lehnte an der Theke und sprach mit Vater Husson, einem Fischer. Er wird es Ihnen bestätigen. ›Mein Mann‹, sagte sie, ›war ein richtiger Matrose. Der blieb manchmal jahrelang auf See und brachte mir Kokosnüsse mit! Ich habe auch einen Sohn, der ist bei der Marine.‹«
    Â»Sagte sie auch, wie der Sohn hieß?«
    Â»An dem Abend nicht; aber als sie mal richtig besoffen war, da sagte sie, ihr Sohn heißt Jacques, und sie sagte auch, sie hätte ihn seit vielen Jahren nicht gesehen.«
    Â»Und was sagte sie von ihrem Mann?«
    Â»Nur, daß er eifersüchtig und brutal gewesen wäre und sie oft verprügelt hätte.«
    Â»Hat ihr Sohn sie schon einmal hier besucht?«
    Â»Davon hat sie nie gesprochen.«
    Â»Wieviel Geld ließ sie durchschnittlich bei Ihnen?«
    Â»So um die sechzig
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