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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cay Rademacher
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anders. Das ist die Zukunft. Da will ich dabei sein.«
    »Schmuggler und Hehler statt Leichen und Mörder?«
    »Klingt in meinen Ohren nicht nach einem schlechten Tausch.«
    »Da hören Sie eine Melodie, die niemand sonst auf diesen Fluren hört.« Breuer bemüht sich nun nicht länger, seine Enttäuschung zu verbergen. »Also gut. Ich habe hier ein Dutzend Beamte, die mir die durchgelaufenen Sohlen meiner alten Schuhe küssen würden, wenn ich sie zur Mordkommission versetze. Ich werde mir einen davon herauspicken. Sie dagegen können sofort Ihre neue Stellung antreten. Sie kennen ja den Flur. Melden Sie sich bei Bahr vom Chefamt S und suchen Sie sich ein Büro aus, es stehen dort einige leer.«
    Als Stave ein letztes Mal über den Flur der Mordkommission geht, um seine Aktentasche zu holen, tritt ihm ein Beamter in den Weg: an die sechzig Jahre alt, schwer, wuchtiger Schädel, um den sich ein Ring aus Haaren legt wie der Lorbeerkranz auf dem Haupte eines Kaisers, tiefliegende, stechende Augen. Cäsar Dönnecke.
    »Willkommen zurück, Kollege.« Er reicht ihm nicht die Hand.
    »Auf Wiedersehen«, antwortet der Oberinspektor. »Ich gehe zum Chefamt S.« Er will sich vorbeidrängeln. Doch Dönnecke legt ihm eine Pranke auf die Schulter.
    »Ich wusste immer, dass Sie zu weich sind für diese Arbeit, Stave«, flüstert er. Sein Atem stinkt nach kaltem Tabak. »Aber dass Sie so weich sind, hätte ich nicht gedacht. Ein Schuss und Sie verkriechen sich dorthin, wo Ihnen garantiert nichts geschieht. Der Schwarzmarkt ist am Ende, haben Sie das noch nicht gehört? Ist nur noch eine Frage der Zeit, bis uns die Amerikaner neues Geld schenken. Dann lösen sich die Kunden vom Chefamt S auf wie ein Furz bei Nordwind.« Er imitiert erstaunlich naturgetreu das passende Geräusch und wedelt mit der behaarten Rechten. »Und dann? Was machen Sie dann?«
    »Dann stelle ich mich mit einer Kelle auf den Stephansplatz und regle den Verkehr.«
    »Das wäre eine Verbesserung.« Dönnecke lacht, lässt ihn los.
    Stave geht zwei Schritte, dreht sich dann aber noch einmal um. »Was haben Sie mit dem Kerl vom Baumwall gemacht?«
    Der wuchtige Alte zwinkert einen Moment lang irritiert, dann verzieht er seine fleischigen Züge zu einem freudlosen Grinsen. »Das hat sich geklärt. Sie könnten es in den Akten nachlesen – wenn Sie noch in der Mordkommission wären.«
    Stave hat schon die Tür zu seinem Büro erreicht, als Dönnecke noch hinter ihm herruft – absichtlich so laut, dass es alle Kollegen hören können, denkt der Oberinspektor: »Wie geht es eigentlich Ihrer Sekretärin? Dieser Erna – wie war noch einmal ihr Nachname?«
    »Veronika«, antwortet Stave ebenso laut und drückt die Klinke hinunter.
    Einige Minuten später steht er ein paar Meter tiefer auf einem nahezu identischen Flur. Bei der Kripo sind die Abteilungen nach Bedeutung und Prestige auf die Stockwerke verteilt. Ganz oben die Mordkommission. Nur eine Etage darunter das Chefamt S, denn die Bekämpfung des Schwarzmarktes genoss seit 1945 höchste Priorität. Der Oberinspektor sieht sich um: Niemand steht auf dem Gang, die Türen zu etlichen Büros sind bloß angelehnt, nirgendwo hört er das Klacken einer Schreibmaschine. Sieht so aus, als würde dieses Stockwerk bald von einer anderen Abteilung bezogen werden.
    Er geht auf die einzige Tür zu, hinter der er eine Stimme hört. Jemand telefoniert. Er klopft, tritt ein.
    Ein Kollege, der vor dem Krieg einmal füllig gewesen sein muss, legt gerade mit einer resignierten Bewegung den schweren, schwarzen Hörer auf die Gabel. Wilhelm Bahr ist der Leiter des Chefamtes S – ein Mann, dem die Entbehrungen der letzten Jahre das Fett weggeschmolzen haben, seine alte Haut hängt nun schlaff an seinen Wangen und seinem Hals wie zerschlissene Segel an einem windstillen Tag. Stave hatte beim Fall des Trümmermörders mit ihm zusammen eine Razzia organisiert. Damals war er energisch und fröhlich gewesen, nun schaut er müde auf seinen Besucher. Ein Mann, der fürchtet, dass er verloren hat.
    »Ich bin Ihr neuer Kollege«, sagt Stave und reicht ihm die Hand.
    »Sie müssen verrückt sein. Ich habe gerade mit Cuddel Breuer gesprochen.« Bahr klopft auf den Hörer, schüttelt ihm aber immerhin die Hand.
    »Selbst Sie glauben, dass diese Abteilung am Ende ist?«
    »Nein. Wir werden in Zukunft wachsen und gedeihen. Aber niemand sonst in diesem Haus glaubt das.«
    »Jetzt sind wir immerhin schon zwei«, erwidert der Oberinspektor.
    Bahr
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