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Der erpresste Erpresser

Der erpresste Erpresser

Titel: Der erpresste Erpresser
Autoren: Stefan Wolf
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Gartenmöbel auf dem zweiten
Stellplatz, eine Sonnenmarkise mit verrostetem Gestänge. Und Markus’ Drahtesel.
    „Dort steht sein Rad, Willi.“
    „Sehe ich doch.“
    „Markus fährt nicht gern Bus und haßt
die U-Bahn.“
    „Ja, und?“
    „Daß er sich mit dem Taxi zum
Schwimmbad bringen läßt, glaube ich nicht. Zu Fuß ist der Weg zu lang — und zu
Fuß ist Markus noch lahmer als du.“
    „Ich bin nicht lahm. Aber ich teile mir
meine Kräfte ein.“
    „Brochmanns Mercedes. Also ist der
Stiefvater da.“
    Tim trat zur Haustür.
    Sie war überdacht. Bei Regen konnten
hier zwölf Besucher gleichzeitig an treten, ohne naß zu werden.
    Er klingelte. Es dauerte nur einen
Moment, dann riß Brochmann die Tür auf und runzelte die Stirn.
    „Ja?“

    Das klang so freundlich wie eine
Ohrfeige. Und so war’s auch gemeint.
    „Wir sind Tim und Willi — Mitschüler von
Markus. Wir waren mit ihm verabredet. Aber er ist nicht gekommen. Ist er da?“
    Tim kannte Brochmann nur vom Sehen,
hatte noch nicht zu tun gehabt mit ihm, obwohl Markus die TKKG-Bande schon
zweimal bewirtet hatte in seinem Zimmer — oben hinter dem Balkon. Bewirtet mit
Cola und Vollkorn-Keksen. Da war Brochmann freilich nicht zu Hause gewesen.
    Der Stiefvater musterte die beiden ohne
Freundlichkeit. „Markus ist krank.“
    „Krank?“
    „Ich kann euch nicht zu ihm lassen.“
    „Was hat er denn? Ist es ansteckend?“
    „Ja, ansteckend.“
    „Können wir ihn mal ganz kurz durch den
Türspalt begrüßen, ihm gute Besserung wünschen?“
    „Tut mir leid. Nein.“
    „Hat er Masern, Scharlach, Tollwut —
was ist es denn?“ Brochmann schien die Geduld zu verlieren. Er wippte auf den
Ballen und bewegte beißend den Kiefer.
    „Ich weiß es nicht. Der Arzt kommt
heute abend nochmal.“
    „Zur Schule darf Markus morgen
sicherlich nicht?“
    „Bestimmt nicht. Ich sage ihm, daß ihr
da wart.“
    Brochmann trat zurück, ein
mittelgroßer, eckiger Mann von Mitte Vierzig. Hartes Gesicht, Kurzhaar-Schnitt,
randlose Brille mit Goldbügeln.
    Mit dem, dachte Tim, würde ich mich
auch nicht vertragen. Sicherlich ist Markus ihm lästig. Ein Stiefvater wie aus
dem Märchen vom bösen Stiefvater. Brochmann liebt nur seinen Job, das Geldverdienen
und dicke Konten. Das merkt man.
    Brochmann & Corneli war eine kleine
Firma, wie Tim von Markus wußte. Herstellung von technischem Zubehör, auch
Kopfhörern. Daher Markus’ fachliche Kenntnis. Auf Rosen waren Brochmann
& Corneli sicherlich nicht gebettet. Sich gegen die großen Hersteller,
die Konzerne, zu behaupten — das konnte auf lange Sicht nicht gutgehen. Markus
hatte mal was gemurmelt vom Ärger seines Vaters mit dem Absatzmarkt. Kopfhörer
hin, Kopfhörer her — bald habe jedermann einen, und der Markt sei dann
erschöpft. Um ihn zu beleben, müßte es Menschen mit vier Ohren geben — besser
noch mit sechsen.
    Während Tim das durch den Kopf ging,
knallte Brochmann die Tür zu.
    „So ein Mist!“ schimpfte Klößchen. „Was
mache ich denn jetzt?“
    „Deine Kopfhörer und der Walkman sind
nicht das Problem.“
    „Sondern?“
    Tim hatte die Lippen aufeinander
gepreßt, starrte die Tür an, das Haus, trat einen Schritt zurück, spähte hoch
zum Balkon — zu Markus’ Balkon.
    „Ansteckende Krankheit — aber er weiß
nicht, was es ist.“
    „Na und?“ fragte Klößchen. „Wenn Markus
die Pest hat.“
    „Unsinn!“
    Tim schob Klößchen zur Straße, die hier
Kantaten-Weg hieß, schmal war und keine Gehsteige hatte.
    Eine dicke graue Katze saß vor der
Einfahrt und kratzte sich hinter dem Ohr. Offenbar galt sie als ungefährlich,
denn drei Spatzen hopsten in ihrer Nähe und pickten an einem Stück Zwieback.
    „Willi“, sagte Tim halblaut, „ich kann
mir nicht helfen: Ich habe ein ungutes Gefühl. Hast du gemerkt, wie nervös
Brochmann ist? Sorge um Markus? Markus haßt ihn, und der Stiefvater erwidert
diese Gefühle. Das ist mir klar — jetzt, da ich ihn aus der Nähe gesehen habe.“
    „Du meinst“, Klößchen riß die Augen
auf, „Brochmann hat Markus totgeprügelt? Im Streit oder so. Himmel, wer berät
mich denn dann?“
    „Du hast ein Gemüt wie ein
Sattelschlepper. Warte mal!“
    Blick zu den Fenstern. Nirgendwo eine
Bewegung, nirgendwo ein Gesicht.
    Tim rannte zum Haus, drückte sich an
die Mauer — dicht bei der Ecke. Seine Hände griffen ins Weinlaub. Na also! Da
waren Haken, die ein verrottetes Holzgitter hielten. Eine Leiter war das nicht.
Aber das Regenabfallrohr, das von der
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