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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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einem Denken gegen den Strich und einer flexiblen Strategie der Anpassung an Unerwartetes beruht.
    Das klingt gut, ist aber beileibe leichter gesagt als getan. Versuchen wir es einmal mit dieser Perspektive: Was steckt hinter dem Aufstieg der anderen und worum geht es beim erfolgreichen Abstieg des Westens zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Eigentlich ganz einfach: Die Welt balanciert sich neu aus. Das bipolare Gleichgewicht des Kalten Krieges macht immer deutlicher einer multipolaren Ordnung Platz, in der die Gleichgewichte sich aber erst noch finden müssen, um Frieden und Wohlstand bewahren zu können. Die alten Schwergewichte verlieren an Bedeutung, neue kommen hinzu und fordern ihr Recht der Mitsprache und Mitentscheidung. Nichts daran ist wirklich neu. Der Aufstieg neuer Mächte ist ein völlig normales Phänomen der Weltpolitik. Katastrophen entstehen häufig nur dann, wenn die alten Mächte nicht bereit sind, friedlich und konstruktiv Platz zu machen und auch für sich eine neue Rolle jenseits der alten Dominanz zu finden. Das ist die eigentliche Aufgabe des Westens zu Beginn dieses Jahrtausends: Es geht nicht darum, den eigenen Machtanspruch zu sichern oder gar den Aufstieg weiterzubetreiben, sondern den eigenen Abstieg so zu bewerkstelligen, dass ein neuesglobales Gleichgewicht zum Nutzen aller entstehen kann. Positivsummenspiele statt Nullsummenspiele müssen das zentrale Ziel politischen Handelns sein. Nur dann hat die Welt eine Chance, den seit 1989 anhaltenden Neuordnungsprozess friedlich und erfolgreich gestalten zu können.
    Also kann die Devise doch nur lauten: Innehalten, Handy und Internet abschalten, raus aus dem Schleudergang der Tageshektik, die schon morgen Schnee von gestern ist – und Nachdenken, besser noch: Neu denken! Das ist die eigentliche Aufgabe für all diejenigen, die in unserer beschleunigten Gesellschaft Verantwortung tragen und versuchen müssen, auf die genannten Fragen brauchbare Antworten zu finden.
    In die Zukunft schauen kann niemand, aber nur wer über die Vergangenheit entsprechend nachgedacht hat, ist in der Lage, Künftiges vorauszudenken. Und wenn man dann noch gelegentlich den Mut finden könnte, das intellektuelle Abenteuer zu wagen, die lieb gewordenen eigenen Denkmuster kritisch zu hinterfragen, einmal zurückzutreten und bewusst die Perspektive zu wechseln – es wäre viel geholfen auf dem Weg zur Lösung unserer Probleme in einer immer komplexeren Welt.
    Halten wir also fest: Mit dem vermeintlichen Sieg des Westens im Jahr 1989 begann auch sein Abstieg. Dies ist nichts, was Angst machen muss. Solche Prozesse sind in der Weltgeschichte immer wieder zu beobachten gewesen. Von Troja, Athen und Rom bis zu Großbritannien und der UdSSR kann man diesen Aufstieg neuer und den relativen Niedergang alter Mächte beobachten. Nicht immer sind diese Prozesse erfolgreich für alle verlaufen, häufig haben sie zu regelrechten Katastrophen geführt. Wie also der Abstieg des Westens erfolgreich zu managen ist, ist die Kardinalaufgabe von Politikern und Managern unserer Zeit. Dieser Debatte will sich dieses Buch widmen. Wer den sicherlich nicht einfachen Versuch wagt, die strategische Landschaft der Zukunft auszuleuchten, darf natürlich nicht für sich in Anspruch nehmen, allein selig machende Wahrheiten verkünden zu wollen oder zu können. Als Diskussionsangebot gemeint, als Kontrastfolie zur üblichen Politiksprache angelegt und mit diebischer Freude, die Dinge gegen den Strich zu bürsten geschrieben, willdieses Buch einen Beitrag leisten zu der immer wieder eingeforderten Grundsatzdebatte über eine strategische Standortbestimmung Deutschlands, Europas und des gesamten Westens.
    Blicken wir also zunächst zurück auf das letzte Jahrzehnt und ziehen wir Bilanz über die Schreckensmeldungen, die uns seit der Jahrtausendwende immer wieder aufs Neue ereilt und unser Weltbild gründlich erschüttert haben.

2 GEPLATZTE TRÄUME
Der »Westen« nach einem Jahrzehnt des Schreckens
    Alle sprachen 1989 vom »Sieg des Westens« im Kalten Krieg. Wer sich aus heutiger Sicht an die zum Teil heftigen und kontroversen Debatten zwischen den transatlantischen Partnern während des Ost-West-Konfliktes erinnert, ist vielleicht versucht, die Frage zu stellen, ob es den »Westen« jemals so gegeben hat, wie in unzähligen Reden und Publikationen behauptet wird. Eines zeichnet sich für einen nüchternen Beobachter trotz dieser Beschwörungsformeln immer deutlicher ab: Seit der Zeitenwende von
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