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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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unsere Fähigkeit, die Welt von morgen erfolgreich zu gestalten, ganz entscheidend davon abhängt, wie wir heute beginnen, über diese Welt nachzudenken. Deshalb werde ich zunächst ganz bewusst einen Blick zurückwerfen: Debatten um eine neue Weltordnung haben Konjunktur wie selten zuvor. Dabei ist eines unbestritten und offensichtlich: Die Welt sucht seit 1989/91 eine neue Ordnung. Ablauf und Ergebnis dieses Prozesses vermag heute noch niemand genau vorauszusagen. Aber die Lehren der Geschichte legen es nahe zu fragen, was in einer vergleichbaren historischen Situation in der Vergangenheit schiefgelaufen ist. Schauen wir zurück in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Es braucht nicht viel Fantasie, um die offensichtlichen Parallelen zu erkennen. Harald Schumann und Christiane Grefe fassen diese Beobachtungen der ersten Globalisierung in eindringlichen Worten so zusammen: »Eisenbahnnetze wurden ausgebaut, immer größere Handelsschiffe konstruiert, und Zigtausend Kilometer Telegrafenleitungen vernetzten die Weltmärkte. … Im Jahr 1880 lagen weltweit erst knapp 370.000 Kilometer Bahnschienen, 1912 waren es mehr als eine Million. Im gleichen Zeitraum verdoppelte sich die Tonnage der Welthandelsflotte, und die Kapazität der unterseeischen Telefonkabel legte in 17 Jahren um 70 Prozent zu.« 4 Was vor dem Ersten Weltkrieg Eisenbahnlinien und Telegrafennetze waren, sind heute Flugverbindungen, Internet und Handy. Damals wie heute beschleunigten revolutionäre neue Technologien die globale Verbreitung der Marktwirtschaft. Was damals Autos, Filme, elektrisches Licht und Röntgenstrahlen waren, sindheute Elektronik, Internet und Nanotechnik. Heute repräsentieren Bill Gates (Microsoft) und Larry Page (Google) den Aufbau von Weltkonzernen aus Hinterhof-Werkstätten. Damals waren es Werner von Siemens, Robert Bosch und Thomas Edison.
    Die Phase der Globalisierung 1.0 fand mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein jähes Ende. Aber die eigentliche Warnung liegt in einem anderen Sachverhalt: Es dauerte sechs Jahrzehnte, bis der Welthandel im Jahre 1973, gemessen als Anteil an der weltweiten Wertschöpfung, wieder das Niveau erreichte, das er 1913 schon einmal erreicht hatte. Wer zurückblickt auf die Zeit vor 100 Jahren, sollte also gewarnt sein, dass vermeintlich sicher geglaubte Entwicklungen jederzeit abrupt zu Ende gehen können.
    Deshalb wird dieses Buch zunächst zurückblicken auf das hinter uns liegende erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts
und die Fragen diskutieren, die sich für das kommende Jahrzehnt und darüber hinaus stellen:
Welche Auswirkungen haben die Schocks und Schreckensmeldungen, die uns in den vergangenen Jahren immer wieder auf dem falschen Fuß erwischt haben? Wie haben wir diese Entwicklungen intellektuell verarbeitet und welchen Lebenslügen ist der viel beschworene »Westen« dabei erlegen?
Welche Lehren lassen sich aus den Irrtümern des letzten Jahrzehnts ziehen und was bedeuten diese Lehren für die Politik des Westens in den kommenden Jahren?
Wie muss der Westen seinen (wohl unvermeidlichen) Abstieg so erfolgreich managen, dass Frieden und Wohlstand auf möglichst hohem Niveau für uns, aber
auch für die aufsteigenden Nationen erhalten bleiben?
     
    Nach den ersten zehn Jahren im neuen Jahrtausend und 20 Jahre nach dem »Sieg« im Kalten Krieg dürfen wir nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass mit dem Sieg des Westens auch sein Abstieg begann. Die meisten werden das als Gefahr, als Verlust und nicht selten auch als Bedrohung empfinden. Unsicherheiten und Angst lassen sich mitAbstiegen leicht verbinden. Aber vielleicht hilft uns ein anderes Bild, diese Entwicklungen besser zu verstehen und einzuordnen.
    Jeder, der einmal einen Berg bestiegen hat, weiß, dass der erfolgreiche Extrembergsteiger Hans Kammerlander recht hatte, als er eines seiner Bücher mit dem Titel Abstieg zum Erfolg überschrieb. Eine einfache, wenn auch zunächst paradox klingende Einsicht. Erst wenn man sicher wieder unten ist vom Gipfel, hat man das Ziel erreicht. Davor gehört einem nicht der Berg, sondern man selbst gehört dem Berg – mit allen Risiken, die damit verbunden sind. Aufstiege sind immer mühsam. Aber die meisten Unfälle passieren beim Abstieg, wenn Müdigkeit und nachlassende Konzentration ihren Tribut fordern. Erfolgreich abzusteigen ist die eigentliche Kunst des Erfolgs. Und das nicht nur beim Bergsteigen.
    Dennoch lässt es sich offensichtlich nur schwer vermitteln, dass Abstiege etwas
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